Fed-Schwenk heizt EZB-Debatte an

Schnabel: Offen für Änderung des Inflationsziels - Symmetrie im Fokus

Fed-Schwenk heizt EZB-Debatte an

ms Frankfurt – Nach dem historischen Strategieschwenk der US-Notenbank Fed nimmt auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) die Debatte über die geldpolitische Strategie und das Inflationsziel Fahrt auf. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte nun, dass die EZB “offen” für eine Änderung des Inflationsziels sei. Zugleich betonte sie aber, dass es Unterschiede zwischen der Fed sowie den USA und der EZB sowie der Eurozone gebe. Zuvor hatte sich bereits Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau erneut für ein symmetrisches Inflationsziel starkgemacht.US-Notenbankchef Jerome Powell hatte vergangene Woche fundamentale Neuerungen in der geldpolitischen Strategie der Fed angekündigt. Insbesondere wird die Fed in Zukunft ein durchschnittliches Inflationsziel verfolgen (“Average Inflation Targeting”). Statt jedes Jahr aufs Neue 2 % anzuvisieren, wird sie über einen bestimmten Zeitraum im Schnitt 2 % anstreben und Verfehlungen in der Zukunft ausgleichen. Konkret läuft das nach Jahren unterhalb des 2-Prozent-Ziels wohl auf Jahre mit Raten oberhalb von 2 % hinaus. Damit wird de facto die ultralockere Geldpolitik auf Jahre zementiert.Mit der Ankündigung der Fed nimmt auch der Druck auf andere Notenbanken und nicht zuletzt die EZB zu, ihre Strategie zu überdenken und sich zu überlegen, wie die Geldpolitik womöglich noch länger locker bleiben kann. Die EZB stellt derzeit erstmals seit 2003 ihre Strategie auf den Prüfstand. Unter den Euro-Hütern gibt es durchaus einige, die Sympathie für das Argument haben, nach einer langen Phase unterhalb des Inflationsziels eine Phase oberhalb des Ziels zu dulden oder gar anzustreben. Zugleich gibt es aber auch andere wie etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann, die das zumindest bislang abgelehnt haben. Die EZB will in der zweiten Jahreshälfte 2021 die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung vorlegen. Strategie auf dem PrüfstandAktuell definiert die EZB Preisstabilität als eine mittelfristige Inflationsrate von unter, aber nahe 2 %. Lange Zeit wurde das eher verstanden als eine Art Obergrenze, zumal es früher primär darum ging, eine zu hohe Inflation zu verhindern. Nun aber liegt die Teuerung auch im Euroraum – wie vielerorts auf der Welt – seit Jahren unterhalb des Notenbankziels und auch die EZB betont zunehmend, dass eine zu niedrige Inflation genauso problematisch sei wie eine zu hohe Inflation. Das gilt nicht zuletzt wegen der Gefahr einer Deflation, also einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und rückläufigem Wachstum. Die EZB-Strategiedebatte birgt vor allem in dem Punkt viel Brisanz.EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel sagte nun in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Review umfassend sein werde. “Das heißt, wir sind auch offen für Anpassungen unserer Definition von Preisstabilität”, sagte sie. In welche Richtung das genau gehe, sei aber noch unklar und sie wolle den Ergebnissen nicht vorgreifen. Ex-EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio hatte sich nach der Fed-Ankündigung überzeugt geäußert, dass andere Notenbanken und auch die EZB dem Vorbild der Fed folgen werden.Schnabel sagte nun zu der Fed-Ankündigung, dass die Fed sicher sehr sorgfältig abgewogen habe, was für sie das Beste sei. Zugleich fügte sie aber hinzu: “Lassen Sie mich aber auch betonen, dass das Beste für die Fed nicht unbedingt das Beste für die EZB ist, da wir eine andere Wirtschaftsstruktur, Finanzsektorstruktur, Geschichte geldpolitischer Maßnahmen und Mandate haben.” Sie räumte jedoch auch ein: “Davon abgesehen besteht eine globale Interdependenz.” Das dürfte darauf abzielen, dass es anderen Notenbanken schwerfällt, einen komplett anderen Kurs als die Fed zu verfolgen.Frankreichs Notenbankchef Villeroy de Galhau, der sich bereits in der Vergangenheit für einen Durchschnittszielwert eingesetzt hat, hatte bereits nach der Ankündigung Powells gesagt: “Ich will das Ergebnis nicht vorwegnehmen. Sie können aber sicher sein, dass ein glaubwürdiges und symmetrisches Inflationsziel im Zentrum unserer Maßnahmen stehen wird.” Der EZB-Rat tagt nach der Sommerpause am Donnerstag nächster Woche erstmals wieder.