Fegefeuer der Eitelkeiten

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 20.6.2018 Die britische Premierministerin Theresa May hat es geahnt: "Wir streben keinen unbegrenzten Übergangsstatus in irgendeiner Form an, bei dem wir uns für immer in einer Art politischem Fegefeuer...

Fegefeuer der Eitelkeiten

Von Andreas Hippin, LondonDie britische Premierministerin Theresa May hat es geahnt: “Wir streben keinen unbegrenzten Übergangsstatus in irgendeiner Form an, bei dem wir uns für immer in einer Art politischem Fegefeuer wiederfinden”, sagte sie in ihrer Grundsatzrede im Lancaster House. Bei der Gelegenheit hatte sie auch klargestellt, dass Großbritannien nicht nur die Staatengemeinschaft, sondern auch Binnenmarkt und Zollunion verlassen werde. Anderthalb Jahre später dürfte ihr angesichts der politischen Folterinstrumente, mit deren Hilfe Parlamentarier jeglicher Couleur den EU-Austritt noch in letzter Minute verhindern wollen, das Fegefeuer wie ein attraktives Ferienziel vorkommen. Wieder und wieder muss sie im Unterhaus um ihre hauchdünne Mehrheit fürchten. Dabei sind es nicht nur die lautstarken Befürworter eines harten Schnitts mit Brüssel wie Jacob Rees-Mogg, die ihr schlaflose Nächte bereiten, sondern auch profilierungssüchtige Europhile wie Anna Soubry und der ehemalige EU-Kommissar Ken Clarke, der nicht umsonst den Spitznamen “The Beast” trägt. Die Debatte der EU Withdrawal Bill gleicht einem Fegefeuer der Eitelkeiten. Dabei handelt es sich eigentlich um reines Verwaltungshandeln, das ein rechtliches Vakuum verhindern soll. Heute kehrt das Gesetz aus dem Oberhaus ins Unterhaus zurück. Vergangene Woche hatte das Parlament alle Änderungsvorschläge der nicht gewählten Peers niedergestimmt. Allerdings vergrätzte May ein Häuflein “Remoaner”, das mehr Mitspracherechte für das Parlament fordert, um ein Herausfallen aus der EU ohne jeden Deal zu verhindern. Ein diesbezüglicher Änderungsvorschlag des Hinterbänklers Dominic Grieve, einst Generalstaatsanwalt für England und Wales, der vergangene Woche nicht zur Abstimmung zugelassen worden war, wurde mittlerweile vom Oberhaus aufgegriffen. Kein Geringerer als Viscount Hailsham brachte einen Änderungsvorschlag ein, der dem von Grieve verdächtig nahekam. Der Vicomte ist vielen Briten unter seinem Spitznamen “Lord Moat” bekannt, weil Douglas Hogg in seiner Zeit als konservativer Unterhausabgeordneter versuchte, sich die Kosten für die Reinigung des Grabens um Kettlethorpe Hall, den Landsitz der Familie, als Spesen erstatten zu lassen. Das House of Lords stimmte am Montag mit 354 zu 235 Stimmen dafür, das Gesetz nach seinem Willen zu ergänzen. Das Unterhaus steht also nun erneut vor der Entscheidung, wie es in dieser Frage verfahren soll. Vergangene Woche hatte die Regierung versprochen, den Bedenken der Gruppe um Grieve mit einem Kompromissvorschlag Rechnung zu tragen. Der blieb allerdings hinter den Erwartungen der Abweichler zurück, die nun gegen die Regierung stimmen dürften, von der sie sich so schmählich betrogen sahen. Die Frage ist, ob sich die Brexit-Befürworter aus den Reihen von Labour dazu durchringen können, mit der Regierung zu stimmen. Dann wäre Mays Verbleib im Amt für eine weitere Woche gesichert. Dass Schatzkanzler Philip Hammond seinen Kabinettskollegen eröffnete, es sei kein Geld für andere Dinge mehr da, wenn er die von May geforderten Milliarden für das Gesundheitssystem NHS lockermachen müsse, gehört unter solchen Bedingungen zu ihren kleineren Problemen. —–Theresa May kämpft mittlerweile täglich um ihren Verbleib im Amt.—–