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Fehltage allein sind kein Indiz für Arbeitsscheu

24,9 Tage fehlt der Durchschnittsarbeitnehmer in Deutschland. Im Internationalen Vergleich ist das viel. Die Statistik birgt allerdings Tücken.

Fehltage allein sind kein Indiz für Arbeitsscheu

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Fehltage allein sind kein Indiz für Arbeitsscheu

ba Frankfurt

Die Arbeitnehmer in Deutschland sind zu oft krank – um Krankenkassen und Arbeitgeber zu entlasten, sollte es daher am ersten Krankheitstag keine Lohnfortzahlung geben. 40 Mrd. Euro könnten derart eingespart werden. Mit diesem Vorschlag sorgte zuletzt Allianz-Chef Oliver Bäte für große Diskussionen. Ein solcher Karenztag wurde hierzulande erst in den 1970er Jahren abgeschafft.

Deutliche Unterschiede

Allerdings hat Bäte in der Tat einen Punkt: Im Vergleich der OECD-Länder führt Deutschland mit 24,9 Tagen die Liste der Krankheitstage an – und zwar die der bezahlten. Hier zeigt sich auch, wie schwer man Vergleiche ziehen kann. In Spanien etwa gibt es erst ab dem vierten Tag der Krankschreibung durch den Arzt Geld vom Arbeitgeber, zudem maximal bis zum 15. Tag. In Frankreich hingegen fließen nach den ersten sieben Tagen 90% des Lohns. Und in Italien bekommt zwar der Arbeitnehmer sein volles Gehalt, aber der Arbeitnehmeranteil reduziert sich bereits nach dem vierten Tag.

Und auch die Destatis-Statistik, die für 2023 auf durchschnittlich 15,1 Arbeitstage kommt, hat ihre Tücken: Gezählt werden die Fälle, für die es eine mehrtägige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gibt. Die Krankmeldungen ohne ärztliches Attest werden nicht erfasst. Und seit 2022 werden Krankmeldungen automatisch an die Krankenkassen weitergeleitet und damit besser erfasst, was einen Teil des jüngsten Anstiegs erklärt. Weitere Gründe sind Experten zufolge weniger das „Blaumachen“, sondern zunehmende psychische und Atemwegserkrankungen, ein höheres Gesundheitsbewusstsein und alternde Belegschaften. Zu 70% dauert eine Arbeitsunfähigkeit maximal 4 Tage und nur in 3,5% der Fälle mehr als 42 Tage, berichtet die Techniker Krankenkasse.

Gemessen am Verhältnis zur Arbeitszeit ändert sich das Bild im OECD-Vergleich: 6,8% der Wochenarbeitszeit fehlen die Arbeitnehmer hierzulande, in Norwegen und Finnland sind es 10,7 bzw. 10 Stunden. Unter den Bundesländern haben mit durchschnittlich 1,58 Fällen je Versicherungsjahr die Erwerbspersonen in Bayern, Baden-Württemberg und Berlin die Nase vorn, heißt es im Gesundheitsreport 2024 der Techniker Krankenkasse, der mitgliederstärksten gesetzlichen Kasse Deutschlands. Die rote Laterne hat Mecklenburg-Vorpommern mit 2,18. Zudem ergibt sich mit steigender Schulbildung ein stetiger Rückgang der gemeldeten Fehlzeiten – bei Männern sind die Fehlzeiten im Bereich der Metallerzeugung und -bearbeitung (2,67) sowie der Chemie- und Kunststoffverarbeitung am höchsten. Insofern dürfte auch die Art der Arbeit, ob körperlich anstrengend oder nicht, eine Rolle spielen. Denn am unteren Ende des Spektrums finden sich Verwaltungs-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Berufe (1,26). Die meisten Fehltage entstehen durch Krankheiten des Atmungssystems, gefolgt von Psychischen und Verhaltensstörungen sowie Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems.