Fernsehduell endet unentschieden

Boris Johnson bewirbt "backfertigen" Deal mit der EU - Jeremy Corbyn lässt Fragen zu Labours Brexit-Strategie unbeantwortet

Fernsehduell endet unentschieden

Boris Johnson hatte am meisten zu verlieren, schließlich liegt er in den Meinungsumfragen vorn. Das Unentschieden im Fernsehduell mit Jeremy Corbyn reicht ihm. Der Labour-Chef hätte jedoch mehr aus seinem Auftritt machen müssen, um als Herausforderer ernst genommen zu werden.Von Andreas Hippin, LondonDas erste Fernsehduell zwischen dem britischen Premierminister Boris Johnson und Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat keinen klaren Sieger hervorgebracht. Einer nach der Ausstrahlung durchgeführten Blitzumfrage des Meinungsforschers Yougov zufolge hielten zwar 51 % der Zuschauer Johnson für den Gewinner der Debatte. Der Abstand zum Labour-Führer bewegte sich damit allerdings auf dem Niveau eines Rundungsfehlers. Das Studiopublikum in Salford lachte über beide – über Johnson, als er ausführte, welch hohen Stellenwert Ehrlichkeit in der Politik habe, und über Corbyn, als er behauptete, die Haltung seiner Partei zum EU-Austritt sei “sehr klar”. Der Schlagabtausch endete also unentschieden. Für den Amtsinhaber, der in den Meinungsumfragen weit vorn liegt und deshalb nur verlieren konnte, ist das ein gutes Ergebnis. Labour kann damit allerdings nicht zufrieden sein, zumal Johnson seinen Herausforderer zuvor in einem offenen Brief über seine Fragen zur Brexit-Strategie der Partei informiert hatte. Wegducken, so gut es gehtDas Thema Brexit nahm großen Raum ein, was durchaus angemessen ist, wenn man bedenkt, dass die Wahl am 12. Dezember nur deshalb stattfindet, weil sich das Unterhaus in dieser Frage auf überhaupt nichts einigen wollte. Für Johnson war es ein Leichtes, seinen “backfertigen” Deal mit Brüssel zu bewerben und den Wählern zu versprechen, den Austritt endlich über die Bühne zu bringen. Alle Kandidaten der Tories haben sich dazu verpflichtet, für die Übereinkunft zu stimmen. Labour kann dagegen nicht mit einer gemeinsamen Linie aufwarten.Corbyn blieb nichts anders übrig, als sich wegzuducken, wenn ihm Fragen gestellt wurden wie die, ob er bei dem in Aussicht gestellten Zweitreferendum für den Deal stimmen würde, den er erst noch mit der EU aushandeln will. Er will den innerparteilichen Bruch zwischen den meist im sozialliberalen großstädtischen Bürgertum angesiedelten Befürwortern eines Verbleibs in der Staatengemeinschaft und den eher traditionellen Vertretern der Arbeiterschaft, die im Norden Englands und in den Midlands meist für den Austritt gestimmt hatten, nach Möglichkeit vermeiden. Ganze neun Mal wich er entsprechenden Fragen aus, richtete dabei den Blick stets an der Kamera vorbei, während er mit beiden Händen an seinem Stehpult Halt suchte. Danach versuchte Corbyn, beim Thema NHS zu punkten. Er warf Johnson vor, das marode öffentliche Gesundheitswesen den verhassten Vereinigten Staaten zum Kauf anzubieten. Der stellte nur fest, dass das NHS nicht zum Verkauf stehe. Er hätte auch darauf hinweisen können, dass die Tories eine geplante weitere Senkung der Körperschaftssteuer aussetzen wollen, um mehr Geld ins Gesundheitswesen pumpen zu können – aber das war schon gar nicht mehr nötig. Corbyn hatte lediglich bei einer Randbemerkung zum Königshaus die Lacher auf seiner Seite. Umsonst geklagtDie Liberaldemokraten und die schottischen Nationalisten hatten versucht, ihren Kandidaten, Jo Swinson und Ian Blackford, auf dem Klageweg einen Platz in der Sendung zu sichern. Der Londoner High Court schmetterte dies jedoch ab. Schade eigentlich, denn etwas mehr Biss hätte der Debatte gutgetan. Die Kulisse erinnerte an ein Gameshow-Set der 1970er-Jahre. Johnson hielt sich spürbar zurück, um nicht arrogant oder flegelhaft zu erscheinen. Und Corbyn sparte sich die sonst übliche Verbitterung, mit der er auf vermeintliche Handlanger der Superreichen reagiert. Beide vermieden es zunächst, sich direkt anzusprechen. Stattdessen dominierten Formulierungen folgender Art: “Ich frage mich, ob uns Herr Corbyn sagen kann …” Die ITV-Moderatorin Julie Etchingham setzte die Zeitvorgaben eisern durch und sorgte auf diese Weise dafür, dass eine Diskussion zwischen den Spitzenkandidaten gar nicht erst entstehen konnte.