Finanzstabilität im Bundestag
Der unlängst veröffentlichte Referentenentwurf eines Finanzstabilitätsgesetzes sieht vor, dass die Bundesbank ab 2013 ein Mandat zur makroprudenziellen Überwachung bekommt. Stimmt der Bundestag dem im weiteren Jahresverlauf zu, erhielte die Zentralbank das Recht und die Pflicht zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems in Deutschland beizutragen. Durch ihre Analysen soll die Bundesbank frühzeitig Systemrisiken identifizieren und gegebenenfalls Vorschläge zur Warnung vor diesen Risiken oder auch Empfehlungen zur Risikoabwehr erarbeiten.Die Entscheidungen über die Vorschläge, die sich vor allem an die Bundesregierung oder an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) richten dürften, wird ein neuer Ausschuss für Finanzstabilität beim Bundesfinanzministerium treffen.*) Er dient der Krisenbewältigung und vor allem der Krisenvermeidung. Daher werden in diesem Ausschuss einmal im Quartal alle Entwicklungen vertraulich diskutiert, die für die Finanzstabilität entscheidend sind. Er besteht aus zehn Mitgliedern. Drei Mitglieder werden vom Bundesfinanzministerium entsandt. Dazu gehören auch der Vorsitzende des Ausschusses und sein Stellvertreter. Die Bundesbank und die BaFin sind ebenfalls mit jeweils drei Mitgliedern repräsentiert. Nicht stimmberechtigt ist der Sprecher der Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Bei Entscheidungen über die Herausgabe von Warnungen und Empfehlungen und deren Veröffentlichung hat die Bundesbank ein Vetorecht. Vernünftiger KompromissWas sich nunmehr auf dem Gesetzesweg für die makroprudenzielle Überwachung in Deutschland abzeichnet, erscheint mir – trotz der generellen Skepsis gegenüber neuen Gremien für die Finanzstabilität – durchaus als ein vernünftiger Kompromiss. Er lässt unschwer erkennen, dass die Abstimmungsgespräche zwischen Berlin und Frankfurt lang und intensiv gewesen sein müssen. Die Bundesbank bekommt ein explizites Mandat für die Finanzstabilität. Ihre Unabhängigkeit bleibt gewahrt.Gerade unter dem Aspekt der Unabhängigkeit der Bundesbank sollte sich in der parlamentarischen Auseinandersetzung auch noch einmal herauskristallisieren, warum für die Verankerung eines Mandats für die Finanzstabilität im Verlauf der letzten Jahre an ganz unterschiedliche Gesetzeswerke gedacht worden ist. Im Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank vom November 2010 war beispielsweise noch explizit vom Kreditwesengesetz die Rede. Später wurde überlegt, das Mandat für die Finanzstabilität im Bundesbankgesetz festzulegen. Jetzt sollen die betreffenden Aufgaben der Bundesbank ausschließlich im Finanzstabilitätsgesetz geregelt werden. Diese Umstellung in der Einstellung hat bestimmt gute Gründe. Deswegen spricht auch nichts dagegen, sie bei der Beratung des Gesetzentwurfes stärker als bisher zu verdeutlichen. Nur weiche InstrumenteIm engen Zusammenhang damit sollten die Abgeordneten den Blick noch einmal dafür schärfen, warum für den Ausschuss für Finanzstabilität – ähnlich wie für den European Systemic Risk Board (ESRB) – nur eher weiche Instrumente vorgesehen sind. Gerade weil der ESRB doch nicht unmittelbar handeln könne, so hatte unter anderem der IWF schon vor einiger Zeit argumentiert, sei umso wichtiger, dass die Gremien auf der nationalen Ebene über direkte Eingriffsbefugnisse oder über Anweisungsrechte verfügten. Brücksichtigt man allerdings, dass im Ausschuss für Finanzstabilität die Vertreter der Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums und der BaFin stimmberechtigt sind und die Empfehlungen und Warnungen in erster Linie wohl an die BaFin und die Bundesregierung gehen, dann mögen sich solche Empfehlungen schon ein wenig wie Anweisungen anfühlen.Wegen der besonderen Zusammensetzung des Ausschusses für Finanzstabilität und seiner “Normadressaten” ist in weichen Empfehlungen weit mehr zu sehen als eine bloße “Moral Suasion” (moralische Appelle, Anm. d. Redaktion). Nicht unbedingt personell, aber doch institutionell dürften die Adressaten von Empfehlungen nämlich häufig zugleich an ihrer Entstehung im Ausschuss für Finanzstabilität mitgewirkt haben. So gesehen trägt die künftige Finanzstabilitätspolitik einige Merkmale eines selbstreferentiellen Systems. Verzahnung mit EU-RegelnEin weiterer Diskussionspunkt zum Finanzstabilitätsgesetz könnte sich unmittelbar daraus ergeben, dass das Finanzministerium den Vorsitzenden des Ausschusses für Finanzstabilität stellt. Eine starke Rolle des Finanzministeriums könnte, so wird gelegentlich argumentiert, zu einer politischen Vereinnahmung führen und die Bereitschaft zum Handeln schmälern. Das ist im Kern auch der Grund, warum einige Experten für eine Entpolitisierung der makroprudenziellen Politik plädieren. Diesen Ansatz halte ich aber unter den institutionellen Verhältnissen in Deutschland für problematisch. Zumindest darf man daran zweifeln, ob makroprudenzielle Instrumente, die gegebenenfalls auch in die sektorale Wirtschaftsstruktur eingreifen müssen, ohne politisch-parlamentarische Legitimation eingesetzt werden sollten.Gerade vor diesem Hintergrund würde man allerdings gern mehr über die Substanz der potenziellen Empfehlungen und Warnungen des Ausschusses für Finanzstabilität erfahren. Es ist zwar verständlich, wenn man hier Vorwegfestlegungen vermeiden möchte. Zu klären ist aber doch, ob die Adressaten der Empfehlungen überhaupt schon über all die Instrumente verfügen, die der Finanzstabilitätsausschuss möglicherweise von ihnen gern eingesetzt sähe. Man denke beispielsweise an die antizyklische Veränderung des Kapitalpuffers. Da dieser erst ab 2016 eingeführt werden soll, würden sich entsprechende Empfehlungen des Ausschusses für Finanzstabilität an die BaFin vorerst erübrigen. Das zeigt zugleich, wie notwendig die Verzahnung der nationalen Rahmenordnung für die Finanzstabilitätspolitik mit europäischen und internationalen Regelwerken ist.Konzeptionell und instrumentell würde die Bundesbank im Ausschuss für Finanzstabilität wohl besonders stark gefordert, wenn sie eines Tages zur Stabilisierung des Finanzsystems nicht umhinkäme, regulatorische Vorschläge zu unterbreiten, die auf die Beseitigung sektoraler Ungleichgewichte zielen. Ausschließen kann man das auf keinen Fall. In den Anfang April veröffentlichten Prinzipien des ESRB zur Entwicklung eines makroprudenziellen Rahmenwerks spielen Instrumente, die ganz gezielt auf die Verletzlichkeiten im Haushalts-, Unternehmens- und Immobiliensektor ausgerichtet sind, deshalb auch eine wichtige Rolle.Der Bundestag sollte bei seinen Beratungen zum Finanzstabilitätsgesetz darauf ebenfalls ein Auge werfen. Denn was für die Politik im Allgemeinen gilt, gilt auch für die makroprudenzielle Politik im Besonderen: Habt Acht auf die Instrumente!—-*) Agenturmeldungen vom Mittwochabend zufolge berät das Bundeskabinett am 2. Mai den Gesetzentwurf zur Errichtung des neuen “Ausschusses für Finanzstabilität”, d. Red.