IM BLICKFELD

Finanzwelt trifft sich im Angesicht von Unsicherheit

Von Angela Wefers, Nusa Dua Börsen-Zeitung, 16.10.2018 Es waren die unausgesprochenen Dinge, die 2018 die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank bestimmten. Unterschwellig herrschte ein wenig greifbares Gefühl der...

Finanzwelt trifft sich im Angesicht von Unsicherheit

Von Angela Wefers, Nusa DuaEs waren die unausgesprochenen Dinge, die 2018 die Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank bestimmten. Unterschwellig herrschte ein wenig greifbares Gefühl der Beunruhigung. Offiziell wurde die Welt schöngeredet. Dies begann bereits mit dem Ort der Tagung. Alle drei Jahre ziehen IWF und Weltbank mit ihrer Jahreskonferenz in ein aufstrebendes Schwellenland. 2018 war dafür der Badeort Nusa Dua auf der indonesischen Insel Bali auserwählt – mit rauschendem Meer, eleganten Hotels und freundlichen Menschen. Untergebracht werden müssen mehr als 30 000 Personen, und ein großes Konferenzzentrum ist nötig – für Delegationen aus 189 Ländern mit Finanzministern und Notenbankgouverneuren sowie Bankern aus allen Teilen der Erde. Letztere nutzen die Tagung zum effizienten Speed-Dating mit Geschäftspartnern, die sonst in der ganzen Welt verstreut sind. Tektonische Erschütterung Auf Bali erinnern den Urlauber meist nur die omnipräsenten Gefahrenschilder unter Palmen daran, dass Indonesien in einer instabilen tektonischen Zone der Erde liegt: Für Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche gibt es Sammelstellen. Auf Bali meldete sich die Erde mit einem kurzen Stoß noch zwei Nächte vor der offiziellen Eröffnung der IWF-Tagung, als wollte sie den bereits Angereisten in Erinnerung rufen, dass nicht alles so ruhig ist, wie es scheint. Aufschwung hält nochNoch sind die Aussichten günstig, auch wenn der Aufschwung schon lange anhält. Die Weltwirtschaft wächst laut Prognose des IWF, in den Schwellenländern stärker als in den reifen Volkswirtschaften der Industrieländer. Vermehrte Risiken für die Weltwirtschaft hatte der IWF schon vor der Tagung aufgezeigt. Die neue Handelspolitik unter US-Präsident Donald Trump folgt dem Muster: erst alles zerschlagen und beim Kitten eine neue Form versuchen. Erste Erfahrungen etwa mit dem Nafta-Nachfolgeabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko zeigen allerdings, dass Trump nicht mehr zustande bringt als eine Neuauflage des Bewährten, mit leichten Vorteilen für die größte Macht der Erde. Der Preis dafür ist weltweite Unsicherheit. Der Wirtschaftsriese USA ist unkalkulierbar. Schaden richtet dies nicht nur bei den direkt Beteiligten der diversen von Trump angezettelten Handelskonflikte an. Die Folgen reichen weiter. Vor allem das Kräftemessen zwischen den USA und China, der mittlerweile zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, könnte größere Wellen schlagen. Allein die bisher verhängen Zölle und Gegenzölle zwischen den USA und China werden nach einer Modellrechnung der Bundesbank den Welthandel nach einiger Zeit um 1 Prozentpunkt senken und das Bruttoinlandsprodukt beider Staaten um je 0,5 Prozentpunkte drücken. Bundesbank Präsidenten Jens Weidmann zufolge strahlen die Effekte auch auf die meisten anderen Volkswirtschaften aus, wenn auch nicht ganz so stark.Für Unsicherheit sorgt auch die labile Lage in einigen Schwellenländern. Beruhigend hieß es auf Bali, dies sei kein allgemeiner Trend, sondern habe länderspezifische Ursachen, etwa in Argentinien oder der Türkei. So ganz ist dieser Analyse nicht zu trauen, leiden viele Schwellenländer doch unter den Zinsschritten in den USA. Diese lassen Kapital abfließen und machen die Finanzierung für in Dollar verschuldete Schwellenländer teurer.Ein weiteres Risiko ist die weltweit hohe öffentliche und private Verschuldung. Ein hoher Schuldenstand bindet Finanzmittel für Zinszahlungen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnten. Zudem fehlt für schlechtere Zeiten ein Finanzpuffer. Eine von den größten Wirtschaftsmächten der Erde – der G 20 – eingesetzte Expertengruppe zur verbesserten Finanzmarktstabilität rät zu einer engeren Verzahnung der Risikoüberwachung durch den IWF und den Finanzstabilitätsrat FSB. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als Bank der Notenbanken soll diesen Kreis auf drei erweitern.Europa stand nach den Jahren der Euro-Krise nicht mehr im Fokus. Wären nicht die Risiken, die von der neuen Regierung in Italien, die sorglos Staatsschulden weiter in die Höhe treibt, und von einem ungeordneten Brexit ausgehen, hätte die alte Welt auf Bali wohl kaum eine Rolle gespielt. So mahnte Bundesbankpräsident Jens Weidmann die Euro-Länder, die Regeln einzuhalten, ohne Italien namentlich zu nennen. Dies sei kein Selbstzweck, sondern schütze die Geldpolitik vor dem Druck, hohe Staatsschulden “weginflationieren” zu müssen. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte den ersten Schritt des hippokratischen Handelns als Leitspruch für die aktuelle Lage ausgegeben: primum non nocere – erstens nicht schaden. Dann könnten sich weitere Maßnahmen zur Heilung erübrigen.Bundesfinanzminister Olaf Scholz war auch auf Bali. Welches Fazit er aus der Tagung zog, bleibt offen. Die deutsche Abschlusspressekonferenz ließ er den überraschten Weidmann allein bestreiten. Scholz war schon auf dem Weg zum Flughafen, um einen der noch wenigen verfügbaren Linienflüge Richtung Heimat zu ergattern, nachdem ein indonesisches Nagetier das deutsche Regierungsflugzeug lahmgelegt hatte.