Flüchtlingskosten setzen sich fest

Allianz-Studie: Selbst bei hoher Integrationsleistung muss der Fiskus auch nach zehn Jahren noch zuschießen

Flüchtlingskosten setzen sich fest

Manche Studien suggerieren, dass der Flüchtlingsstrom nach Deutschland dem Staat unter dem Strich mehr nutzt als er ihn kostet. Das bezweifeln jedoch die Volkswirte der Allianz. In einer Abschätzung der Nettokosten zeigen sie, dass selbst unter wohlwollenden Annahmen der deutsche Fiskus auch 2025 noch draufzahlen wird.Von Stephan Lorz, FrankfurtDie Flüchtlingskosten abzuschätzen ist ein wagemutiges Unterfangen. Denn die meisten Eingangsparameter im Hinblick auf die Entwicklung der Asylanträge, der Rückführungen und des personellen Integrationsaufwands sind allenfalls grob abzuschätzen. Unklar ist auch, ob und wie die Verteilung der Migranten innerhalb der Europäischen Union vonstatten gehen wird und wann die Kämpfe in Syrien beendet werden. Also müssen frühere Konfliktbewältigungen und Erfahrungswerte der bisherigen Integration für eine grobe Abschätzung herhalten. Die Allianz-Volkswirte haben es dennoch gewagt und ein Szenario entwickelt, wie sich die ökonomische und fiskalische Dimension der Flüchtlingskrise darstellt. Dabei wurden durchaus optimistische Annahmen hergenommen, etwa was die Arbeitsaufnahme anbelangt.Das Ergebnis der Berechnungen entzieht gleichwohl so manchen sozialromantischen Argumenten den Boden. Jenseits der humanistischen Pflicht einer demokratischen Gesellschaft, den Kriegsflüchtlingen zu helfen und ihnen Obdach sowie Schutz zu geben, stellen diese fiskalisch gesehen auf absehbare Zeit einen Belastungsfaktor dar (siehe Grafik): In den nächsten Jahren steigen die Nettokosten für die Flüchtlinge deutlich an, um dann wieder abzusinken, sofern auch der Migrantenstrom abebbt. Aber selbst zehn Jahre später, im Jahr 2025, liegen die Kosten dann immer noch über den erhofften Mehreinnahmen durch die Steuer- und Beitragszahlungen der bis dahin in Jobs befindlichen Flüchtlinge.Grund dafür ist, dass die Integrationsleistung in den nächsten Monaten und Jahren immer noch zu schwach sein dürfte, um die Kosten in der Zukunft noch weiter senken zu können. Die Allianz hat sich dabei auf Erfahrungswerte der Arbeitsämter gestützt. Danach verfügen auch fünf Jahre nach dem Zuzug allenfalls 50 % der erwerbsfähigen Flüchtlinge über eine Beschäftigung; nach zehn Jahren sind es nur 60 %. Diese Werte sind aber in einer Zeit viel geringerer Flüchtlingszahlen gemessen worden. In der gegenwärtigen Lage dürften die Probleme der Integration also eher noch zunehmen. “Integration forcieren”Entscheidend sei daher, so Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise, dass ein regelrechter Integrationssprung stattfindet und deutlich mehr Mittel in die diesbezüglichen Institutionen fließen – “und zwar von Anfang an”. Dies entscheide dann, ob die Kostenentwicklung vielleicht doch besser ausfällt als erwartet und ob die vielfach erhoffte demografische Entlastung durch die Flüchtlinge tatsächlich erreicht werden kann. Notwendig sei in diesem Zusammenhang zudem, die Flüchtlinge in Berufen mit höheren Anforderungen und damit auch höheren Löhnen unterzubringen. Auch in die Bildung müsste also noch viel mehr investiert werden.Die Volkswirte gehen nämlich davon aus, dass das Gros der Flüchtlinge in Niedriglohnjobs Beschäftigung findet und weniger auf “Ingenieur-Niveau”. Letzteres wird bisweilen in der Öffentlichkeit unter Hinweis auf den hohen Bildungsstand der geflüchteten Menschen suggeriert. Dieses Bild scheint indes nicht den Querschnitt der Flüchtlinge darzustellen. Entsprechend dürfte der Beitrag der Migranten zum Steuer- und Beitragsaufkommen eher gering ausfallen, meinen die Ökonomen. Sie gehen sogar davon aus, dass bei derart niedrigen Arbeitseinkommen teilweise auch weiterhin Ansprüche auf staatliche Leistungen bestehen.Alles in allem ergebe sich unter diesen Annahmen eine Nettobelastung des Staatshaushalts durch die Flüchtlingsmigration von rund 10 Mrd. Euro im Jahr 2020 und noch von knapp 6 Mrd. Euro im Jahr 2025. Kumuliert über elf Jahre von 2015 bis 2025 wären dies rund 90 Mrd. Euro.Was die kurzfristig anfallenden Kosten angeht, so rechnet die Allianz wegen der Mehrausgaben des Staates durchaus mit positiven konjunkturellen Effekten. Das Wachstum im laufenden Jahr wird danach um 0,1 Prozentpunkte zulegen, im kommenden Jahr dann um 0,3 Prozentpunkte. Insgesamt erwartet die Allianz für Deutschland 2015 ein Wachstumsplus von 1,7 % und 2016 eines von 2,0 %. Arbeitslosigkeit steigtAllerdings wird – nicht zuletzt durch die Flüchtlingskrise – die Arbeitslosigkeit wieder steigen, weil der Arbeitsmarkt den Zustrom nicht schnell genug aufnehmen könne. Das liegt nach Meinung der Allianz auch an der Einstiegshürde “Mindestlohn”, der aber derzeit nicht in Frage gestellt werde wegen der sozialen Spannungen. Heise sprach von “sozialem Sprengstoff”.