Frankreich will mehr Zeit für Defizitabbau

EU äußert Unverständnis - Kräftemessen mit Brüssel

Frankreich will mehr Zeit für Defizitabbau

wü Paris – Frankreichs neue Regierung will mit der EU-Kommission den Zeitplan für den Defizitabbau neu verhandeln. Das kündigte Finanzminister Michel Sapin am Donnerstag kurz vor seiner Amtsübernahme gegenüber dem Radiosender “France Inter” an. An dem geplanten Defizitabbau halte Frankreich fest, versicherte er. Aber er werde den Rhythmus des Defizitabbaus mit Brüssel diskutieren. “Das ist nicht Frankreich, das auf Knien angerutscht kommt und flehentlich bittet”, sagte er. “Das ist im gemeinsamen europäischen Interesse, den richtigen Rhythmus, das der Situation angemessene Tempo zu finden.” Europa werde es besser gehen, wenn es Frankreich besser gehe.Brüssel hatte Frankreich erst letztes Jahr einen Aufschub von zwei Jahren zum Erreichen des Defizitziels von 3 % gewährt. Das sollte eigentlich bis 2015 gelingen, doch die Haushaltssanierung kommt langsamer voran als geplant. So verfehlte das Land vergangenes Jahr erneut das selbst gesteckte Defizitziel: Statt 4,1%, wie anvisiert, lag es bei 4,3 %. Auch 2012 hatte Frankreich das eigene Ziel verfehlt, das Defizit auf 4,5 % zu senken. Stattdessen betrug es 4,8 % des Bruttoinlandsprodukts.Staatspräsident François Hollande hatte bereits am Montag angedeutet, dass er Brüssel um einen erneuten Aufschub bitten will. Doch sowohl er als auch Sapin stoßen mit ihren Forderungen in Europa auf Unverständnis. So betonte EZB-Präsident Mario Draghi gestern, es sei wichtig, dass sich die Euro-Länder an die in der EU vereinbarten finanzpolitischen Verpflichtungen hielten. Zuvor hatte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem gefordert, Frankreich müsse seine Verpflichtungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten. Es sei wichtig, dass Frankreich die notwendigen strukturellen Anpassungen vornehme, erklärte EU-Finanzkommissar Olli Rehn. Er erwarte, von dem Land bis Mitte April dessen Stabilitäts- und Reformprogramm zu erhalten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich skeptisch.Die Warnungen könnten auch zu Spannungen innerhalb der neuen Regierung führen. Einige Mitglieder wie Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg plädieren für ein Kräftemessen mit Brüssel. Er sprach sich bereits für eine Umorientierung Europas aus. “Momentan weist es uns den Weg im Sinne von Austerität und Dogmatismus”, sagte er. “Dabei brauchen wir Pragmatismus.” Bei seiner Amtseinführung versprach er, sich für Wachstum einzusetzen und jede Form von Deflation, Rezession und Austerität zu bekämpfen.—– Wertberichtigt Seite 8