Haushaltsstreit Frankreich

Frankreichs Regierung bangt ums Überleben und das Budget

Paris könnte bald ohne Haushaltsgesetz und Regierung dastehen, wenn die links- und rechtsextreme Opposition ihre Drohung wahr macht und für Misstrauensanträge stimmt.

Frankreichs Regierung bangt ums Überleben und das Budget

Haushaltsstreit Frankreich

Frankreichs Regierung bangt um Budget

Links- und rechtsextreme Opposition droht mit Misstrauensanträgen – Ohne Haushaltsgesetz keine Defizitbekämpfung

Frankreich muss mit seinem Haushalt für 2025 beweisen, dass es die Defizitbekämpfung ernst nimmt. Doch wegen geplanten Steuererhöhungen und Einsparungen hagelt es von allen Seiten Kritik für die Regierung von Michel Barnier. Sie muss nun um ihr Überleben und das Budget fürchten. Deshalb steigen die Risikoaufschläge.

Von Gesche Wüpper, Paris
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Frankreichs neue Regierung wappnet sich für einen Überlebenstest. Sie ringt mit der Opposition über den Haushaltsentwurf für 2025. Die beiden Oppositionsparteien von den extremen Rändern links und rechts, La France Insoumise (LFI) und Rassemblement National (RN), drohen mit Misstrauensanträgen. Wie dieser Konflikt ausgeht, wird nicht nur über das Schicksal der Mannschaft von Premierminister Michel Barnier entscheiden, sondern auch ein wichtiger Test für den Stabilitätspakt der Eurozone sein.

Barnier warnte Dienstagabend im Fernsehsender TF1, dass ein Sturm und starke Turbulenzen an den Finanzmärkten drohten, sollte ein Misstrauensantrag die Regierung und damit den Haushaltsentwurf stürzen. Das Urteil der Ratingagentur S&P zur Kreditwürdigkeitsnote Frankreichs wird Freitagabend erwartet. Der Haushaltsstreit in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone hat bereits jetzt zu einer Ausweitung der Risikoprämien an den Anleihemärkten geführt. Der Spread zwischen zehnjährigen französischen Staatsanleihen und Bundesanleihen hat mit 88,5 Basispunkten mittlerweile einen neuen Höchststand seit 2012 während der Euroschuldenkrise erreicht. 

Weiterer Anstieg des Schuldendienstes

„Wir leihen bereits zu sehr hohen Zinssätzen, Zinssätze, die wir einhalten müssen, um unsere Schulden mithilfe chinesischer oder amerikanischer Investoren finanzieren zu können“, erklärte Barnier. Diese Zinssätze befänden sich mittlerweile fast auf dem Niveau der von Griechenland. Ein Misstrauensantrag ließe sie weiter steigen, was wiederum Kosten für das tägliche Leben der Mitbürger hätte, mahnte Haushaltsminister Laurent Saint-Martin gegenüber dem Radiosender „France Inter“.

Frankreich sei eines der letzten Länder in Europa, das bisher noch nicht den Weg der Haushaltssanierung eingeschlagen habe. Wenn der Misstrauensantrag durchkomme, misslinge die Aufgabe der Regierung, dies zu tun. „Das Defizit wird sich weiter ausweiten“, sagte Saint-Martin. Wenn nichts getan werde, würden allein für den Schuldendienst bald 60 Mrd. Euro pro Jahr fällig. Die Staatsverschuldung Frankreichs betrug zuletzt 112% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das Defizit dürfte 2024 auf mehr als 6% steigen.

Gerechtfertigte Warnung oder Panikmache?

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau warnt ebenfalls vor möglichen Risiken, sollte Verwirrung darüber herrschen, wie Frankreich Defizit und Schulden abbauen will. „Investoren, die Frankreich Geld leihen, und die Franzosen selber wollen Klarheit und Vertrauen haben, wie wir unser Defizit abbauen und die Schulden in den Griff bekommen wollen“, sagte er auf einer Konferenz.

Etliche Abgeordnete versuchen jedoch, solche Warnungen als Panikmache herunterzuspielen. Dazu gehören neben Marine Le Pen vom RN auch Vertreter der Regierungsallianz. Wenn der Haushaltsentwurf scheitere, drohe Frankreich kein Shutdown wie in den USA, argumentieren sie. Die Regierung könne dem Parlament dann ein Spezialgesetz präsentieren, um ab dem 1. Januar weiter Steuern erheben zu können, erklärte die Präsidentin der Assemblée Nationale, Yaël Braun-Pivet. Die Ausgaben könnten durch Dekrete fortgeführt werden, um Beamte, Renten und anderes bezahlen zu können.

Verbrauchervertrauen weiter gesunken

„Es bedarf keines Shutdowns, um in eine finanzielle und wirtschaftliche Krise zu rutschen“, hält Haushaltsminister Saint-Martin dagegen. Ohne Haushalt könne Frankreich keine Maßnahmen zur Defizitbekämpfung ergreifen. Zudem droht sich das seit der überraschenden Ankündigung der Neuwahlen Anfang Juni herrschende Klima der Unsicherheit dann noch weiter zu verschärfen. Nach Angaben des Statistikamtes Insee ist das Verbrauchervertrauen der französischen Haushalte im November im zweiten Monat in Folge gesunken, auf das Niveau von Juni.

Derzeit prüft der Senat, die zweite Kammer des Parlaments, drei verschiedene Haushaltstexte. Anschließend gehen sie an die Nationalversammlung zurück: das Budget der Sozialversicherung am 4. Dezember, ein Gesetz für Haushaltsanpassungen für Ende 2024 am 6. Dezember und der Haushaltsentwurf ab dem 18. Dezember. Die Regierung Barniers dürfte versuchen, sie mithilfe des Artikels 49.3 ohne Abstimmung durchzusetzen. Die Opposition will dann Misstrauensanträge stellen. Laut Verfassung muss ein Haushaltsentwurf spätestens verabschiedet werden, wenn das Parlament 70 Tage darüber debattiert. Diese Frist endet am 21. Dezember um Mitternacht.

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