Frankreichs Regierung stellt Rentenreform vor
wü Paris
Frankreichs Regierung hat die wesentlichen Züge der von Präsident Emmanuel Macron gewünschten Rentenreform umrissen, während gerade die zweite Runde der Abstimmungsgespräche mit den Sozialpartnern über das Reformprojekt begonnen haben. Dabei geht es auch um die sogenannten Spezialrenten, die vor Jahrzehnten für einst besonders beschwerliche Berufe eingeführt wurden und einer kleinen Zahl von Berufsgruppen bei staatlichen Unternehmen wie dem Metrobetreiber RATP oder dem Versorger Électricité de France (EDF) auch heute noch üppige Renten sowie ein besonders frühes Renteneintrittsalter gewähren.
Die Spezialrenten abzuschaffen gehört zu den Wahlkampfversprechen Macrons. Es ist riskant, denn bisher scheiterte jeder Versuch, dies zu tun, an den Protesten der Gewerkschaften. Als Macron das Thema während seiner ersten Amtszeit im Ramen einer Rentenreform angehen wollte, legten Streikende im Winter 2019/2020 mehrere Wochen lang den Nahverkehr in Paris und den Bahnverkehr lahm, bevor die Reform wegen Covid erst auf Eis gelegt, dann ganz fallen gelassen wurde.
Die Regierung favorisiere nun die sogenannte „Grandfathering-Klausel“, bei der nur Mitarbeiter, die neu eingestellt werden, auf die Spezialrenten verzichten müssen, sagte Arbeitsminister Olivier Dussopt der Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Eine Frage, die jetzt in den Gesprächen mit den Sozialpartnern geklärt werden müsse, ob nur die Spezialrenten oder auch die anderen damit einhergehenden Privilegien abgeschafft würden. Fest scheint dagegen bereits zu stehen, dass die Spezialrenten von einigen Berufsgruppen unangetastet bleiben, etwa die der Oper von Paris, der Comédie-Française oder die der Seeleute. „Wir unterschätzen das Risiko von Blockaden bei EDF und der RATP nicht“, erklärt Dussopt.
Im Rahmen der Rentenreform, die laut Premierministerin Élisabeth Borne bereits im nächsten Sommer in Kraft treten soll, will die Regierung auch ein Instrument zur Messung und Steuerung der Beschäftigung von Senioren einführen. In französischen Unternehmen gelten Arbeitnehmer in der Regel bereits ab 45 Jahren als Senioren. Die Beschäftigungsrate von über 60-Jährigen liegt in Frankreich deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.
Eine Anhebung des offiziellen Rentenalters von 62 auf 64 Jahre könnte dem französischen Staat laut Berechnungen des Schatzamtes 12 Mrd. Euro zusätzlich in die Kassen spülen. Laut Umfragen ist jedoch eine Mehrheit der Franzosen gegen die Anhebung des Rentenalters. Der Senat hat gerade einem Zusatzantrag zum Haushalt der Sozialversicherung Sécurité Social zugestimmt, das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anzuheben. Dieser Beschluss dürfte jedoch wieder von der Nationalversammlung gekippt werden.
Macron hatte im Wahlkampf auch versprochen, die Mindestrente für Arbeitnehmer, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, auf 1100 Euro pro Monat anzuheben. Angesichts der Inflation und der Anhebung des Mindestlohnes Smic wolle die Regierung jetzt aber noch weiter gehen, sagt Arbeitsminister Dussopt. Dabei müsse auch sichergestellt sein, dass der Abstand im Vergleich zur Mindestaltenhilfe von derzeit 953 Euro pro Monat groß genug sei, um zur Arbeit anzuregen. Die Regierung wolle deshalb, dass die Mindestrente 85% des Netto-Mindestlohns betrage. Das wären derzeit 1130 Euro.