Erneuter deutlicher Anstieg

Fünfter Platz bei den Arbeitskosten in der EU

Die Arbeitskosten haben in Deutschland auch 2023 deutlich angezogen. Allerdings ist der Anstieg geringer als im Vorjahr und bringt die Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf die Lohnkosten nicht in Gefahr. Zudem zeigt die IMK-Auswertung, dass der preistreibende Effekt der Gewinninflation fast ausgelaufen ist.

Fünfter Platz bei den Arbeitskosten in der EU

Platz 5 bei den Arbeitskosten in der EU

IMK sieht trotz Anstieg preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nicht in Gefahr

Die Arbeitskosten haben in Deutschland auch 2023 deutlich angezogen. Allerdings ist der Anstieg geringer als im Vorjahr und bringt die Wettbewerbsfähigkeit mit Blick auf die Lohnkosten nicht in Gefahr. Zudem zeigt die IMK-Auswertung, dass der preistreibende Effekt der Gewinninflation fast ausgelaufen ist.

ba Frankfurt

Arbeit ist in Deutschland abermals um einiges teurer geworden. Allerdings ist der Anstieg laut einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geringer ausgefallen als im Vorjahr. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf die Lohnkosten sieht das IMK nicht in Gefahr, auch eine Lohn-Preis-Spirale sei nicht in Sicht.

Stabil im oberen Mittelfeld

2023 sind die Arbeitskosten je Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft hierzulande um jahresdurchschnittlich 5,0% gestiegen. Das sei im langjährigen Vergleich ein relativ hoher Wert, aber spürbar weniger als 2022 mit einem Anstieg um 6,5%, konstatiert das IMK. „Wir liegen bei den Arbeitskosten wie vor den Krisen der vergangenen Jahre im oberen Mittelfeld Westeuropas und sehen etwa bei den Exporten eine wieder aufsteigende Linie“, kommentierte Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. EU-weit kletterten die Arbeitskosten im Schnitt um 5,6% und im Euroraum um 5,1%. Dabei waren die Arbeitskostenanstiege im privaten Dienstleistungsbereich und im verarbeitenden Gewerbe sowohl im Euroraum-Durchschnitt (5,2% bzw. 5,0%) als auch in Deutschland (5,1% bzw. 4,9%) nahezu gleich hoch – ganz im Gegensatz zum Vorjahr.

Die stärksten Arbeitskostenanstiege mit Werten zwischen 15 und 20% verzeichneten Polen, Rumänien und Ungarn. Dabei legten die Arbeitskosten in fast allen osteuropäischen EU-Ländern zweistellig zu.

Mit Arbeitskosten von 41,90 Euro in der Privatwirtschaft rangiert Deutschland aktuell auf Rang 5 in der EU, zusammen mit den Niederlanden und unmittelbar vor Schweden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die schwedische Krone im vergangenen Jahr erneut deutlich an Wert verloren hat. Daher „liegt das skandinavische Land bei den Arbeitskosten in Euro gerechnet mit 41,60 Euro diesmal knapp hinter der Bundesrepublik“, betonte das IMK.

„Spielraum genutzt“

„Ohne deutliche Anstiege der nominalen Löhne hätte die Rekordinflation 2022 und 2023 die breite Kaufkraft in Deutschland auf längere Zeit schwer geschädigt“, erklärte Dullien. Nach wie vor seien die Einbußen vieler Beschäftigter nicht vollständig ausgeglichen. Daher rechne das IMK in seiner Konjunkturprognose mit weiteren deutlichen Lohnerhöhungen, „die nötig sind, um die Nachfrage nachhaltig wieder in Schwung zu bringen“. Die Wachstumshoffnungen der Ökonomen ruhen vor allem auf einem Anstieg der privaten Konsumausgaben. Allerdings ist die Kauflaune auf niedrigem Niveau, und die privaten Haushalte legen lieber Geld auf die hohe Kante, als größere Anschaffungen zu tätigen, wie auch die jüngste GfK-Konsumklimastudie zeigt. Die Daten zu den Arbeitskosten zeigen dem IMK zufolge, „dass der Spielraum für eine Stabilisierung der Kaufkraft in der Krise genutzt worden ist, ohne Schieflagen an anderer Stelle zu verursachen“.

„Mittelfristige Stabilität bei kurzfristigen Ausschlägen“ hat nach der Analyse des IMK auch die Entwicklung der Lohnstückkosten geprägt, die die Arbeitskosten ins Verhältnis zur Produktivität setzen. Diese sind 2023 in Deutschland zwar kräftig um 6,6% gestiegen und damit etwas stärker als im Euroraum mit 6,1%. Als wesentlichen Grund neben der hohen Inflation macht das IMK die schwache Produktivitätsentwicklung infolge der schleppenden Konjunktur aus. „Die kurzfristig hohen Anstiege gefährden die preisliche Wettbewerbsfähigkeit bislang aber nicht“, betonen die Studienautoren Ulrike Stein und Alexander Herzog-Stein. Es gebe bislang keine Anzeichen für eine Preis-Lohn-Spirale.

Auf die längere Frist gesehen liege die Lohnstückkostenentwicklung hierzulande trotz der Beschleunigung weiter unterhalb der Zielinflation der EZB von 2% und habe damit „im Hinblick auf das Kriterium der makroökonomischen Stabilität im Euroraum (…) eher etwas zu langsam als zu schnell zugenommen“, wie es weiter heißt. Der Befund decke sich mit dem 2023 „erneut sehr hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss“. Nach Schätzungen der EU-Kommission betrug dieser rund 284 Mrd. Euro oder 6,9% des Bruttoinlandsprodukts. Leistungsbilanzüberschüsse ab 6% stuft die EU-Kommission als problematisch hoch ein.  

Zudem ergab die Studie, dass 2022 und bis ins Jahr 2023 hinein ein zwischenzeitlich starker Anstieg der Stückgewinne von Unternehmen aus vor allem vier Wirtschaftsbereichen einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Inflation hatte als die Entwicklung der Lohnstückkosten. Mit Ausnahme des Bereichs Bau sei der preistreibende Effekt der „Gewinninflation“ aber Mitte 2023 ausgelaufen.

Neben dem Bau benennt das IMK hier den Großbereich „Handel, Verkehr und Gastgewerbe“ und den Bereich „Produzierendes Gewerbe ohne Bau- und Verarbeitendes Gewerbe“, zu dem die Energieerzeugung gehört, sowie die Landwirtschaft.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.