LEITARTIKEL

Fünf Jahre, ein Plan

Alle fünf Jahre wieder im Herbst kommt Chinas Parteiführung mit einem sorgfältig ausgetüftelten Planpapier aus dem Wald, das einen ersten Einblick für die wirtschaftspolitische Marschrichtung der kommenden fünf Jahre gewähren soll. In diesem Jahr...

Fünf Jahre, ein Plan

Alle fünf Jahre wieder im Herbst kommt Chinas Parteiführung mit einem sorgfältig ausgetüftelten Planpapier aus dem Wald, das einen ersten Einblick für die wirtschaftspolitische Marschrichtung der kommenden fünf Jahre gewähren soll. In diesem Jahr muss man sich neuen Herausforderungen stellen. Vor dem Hintergrund drastisch verschärfter handels-, industrie- und geopolitischer Spannungen zwischen China und den USA sowie dem konjunkturellen Kahlschlag durch die Coronapandemie, stehen Chinas Wirtschaftsplaner vor dem zentralen Problem, wie es gelingen kann, heimische Ressourcen stärker zu mobilisieren. Es gilt ein über Dekaden hinweg anhaltend strammes Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte auch in den nächsten Jahren weiter zu gewährleisten.Die Vorlage des tatsächlichen neuen Fünfjahresplans für den Zeitraum 2021 bis 2025 wird noch ein paar Monate auf sich warten lassen, doch die ersten Appetithäppchen sind bereits in Umlauf gebracht worden. Angeregt wird nun eine wirtschaftspolitische Kurswende, die es der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft erlaubt, den Fokus auf qualitatives Wachstum zu legen. Ob China damit von der Fixierung auf konkrete Wachstumsvorgaben für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Abstand nehmen wird, ist noch nicht ersichtlich. Die Coronakrise gebietet Grund zur Vorsicht.In diesem Jahr wird China wegen des Wirtschaftseinbruchs im ersten Quartal nur mit Ach und Krach auf vielleicht 2 % Wirtschaftswachstum kommen. Was in normalen Zeiten ein indiskutabler Wachstumswert wäre, kann vor dem Hintergrund der Corona-Misere in führenden Industrienationen und weltweiter Rezessionstendenz freilich als Triumphzug gefeiert werden. Abgesehen davon winkt allein schon wegen statistischer Basiseffekte im kommenden Jahr ein Wachstum jenseits der 8 %, mit dem man an alte Glanz-und-Gloria-Zeiten anknüpfen würde.Danach allerdings wird es unübersichtlich. China-Ökonomen gehen davon aus, dass Peking auch künftig alles daran setzen wird, ein möglichst hohes nominales BIP-Wachstum vorlegen zu können. Im vorangegangen Fünfjahresplan war die Zielvorgabe eines mittleren bis hohen einstelligen Wirtschaftswachstums verankert worden, um auf den Status einer “moderat wohlhabenden Gesellschaft” zu kommen. Dies war letztlich mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 6,5 % quantifiziert worden. Allerdings wird man die Messlatte etwas herunternehmen und eher mit einer 5 vor dem Komma hantieren müssen. Ob das angesichts wachsender Risiken bei der Zielerfüllung dann auch tatsächlich numerisch festgehalten wird, ist eine andere Frage.Analysten betonen, dass ein Verzicht auf eine konkrete Wachstumsvorgabe keineswegs die Abkehr von einem ambitiösen Wachstumspfad bedeutet. Im Zweifelsfall werden sich die Planer mit anderen Maßstäben wie der Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens zu helfen wissen. Dann werden die Ökonomen darüber streiten, welchen nominellen BIP-Schub es tatsächlich braucht, um den Ansprüchen an ein verbessertes qualitatives Wachstum gerecht zu werden.Wie die Parteiführung nun angedeutet hat, wird China den Technologiesektor als neue “nationalstrategische Säule” in den Vordergrund heben und mit Blick auf die von den USA erlassenen Restriktionen gegenüber chinesischen Technologiefirmen einen neuen Autarkiekurs anstreben. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Etablierung einer landeseigenen Entwicklung und Produktion von Mikrochips. Man will eine gegenwärtige Schwachstelle ausmerzen, um im Wettstreit mit einem feindlicher gesinnten Amerika in Bereichen wie künstlicher Intelligenz oder 5G-Netzwerktechnik mithalten zu können.Dabei soll ein neues Konzept der sogenannten dualen Kreisläufe eine tragende Rolle spielen: Zum einen will China via geballter Technologieförderung und Anregung des Konsums im Rahmen eines sogenannten internen Kreislaufes auf eine insgesamt autarkere Binnenwirtschaft hinarbeiten. Zum anderen sollen Reform- und Marktöffnungsschritte unter dem Rubrum externer Kreislauf dazu beitragen, dass China am Globalisierungstrend weiterhin zu partizipieren vermag. Das ist eine schöne Vision unter einem allerdings wenig griffigen Motto. Chinas Planstrategen müssen noch reichlich Fleisch an das Kreislauftheorieskelett hängen, um zu belegen, dass ein Autarkiekurs auch den richtigen Weg zur langfristigen Wachstums- und Wohlstandssicherung abgibt. ——Von Norbert HellmannChinas Fünfjahresplan besinnt sich auf einen Autarkiekurs und stellt qualitatives Wachstum voran. Noch ist unklar, wie das zusammenpassen soll. ——