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Für das Weiße Haus zählt nur das Mikroklima in Pittsburgh

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 3.6.2017 "Ich wurde gewählt, um die Bürger von Pittsburgh und nicht die von Paris zu vertreten", sagte US-Präsident Donald Trump am Donnerstagnachmittag im Rose Garden des Weißen Hauses. Es war einer...

Für das Weiße Haus zählt nur das Mikroklima in Pittsburgh

Von Stefan Paravicini, New York”Ich wurde gewählt, um die Bürger von Pittsburgh und nicht die von Paris zu vertreten”, sagte US-Präsident Donald Trump am Donnerstagnachmittag im Rose Garden des Weißen Hauses. Es war einer der Höhepunkte einer bizarren Rede, mit der er den Ausstieg der USA aus dem 2015 in der französischen Hauptstadt vereinbarten Klimaabkommen verkündete. Bizarr deshalb, weil der Klimavertrag nicht zuletzt der Ausdruck des gemeinsamen Willens von mehr als 190 Signatarstaaten ist, nicht nur das Mikroklima in Paris oder Pittsburgh zu berücksichtigen, sondern auch die Bürger in Peking, Perth, Port Elizabeth, Sao Paulo oder Panama-Stadt zu schützen. Durch gemeinsames Handeln sollen die Treibhausgasemissionen so weit begrenzt werden, dass ein Anstieg der mittleren Temperatur gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um mehr als 2 Grad verhindert werden kann. Das ist nach Einschätzung von Klimaforschern die Schwelle, bis zu der die Folgen der Erderwärmung beherrschbar bleiben.Die in Paris getroffenen Vereinbarungen reichen nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen, schaffen aber einen Rahmen für eine gemeinsame Klimapolitik. Nur Syrien, das seit Jahren im Bürgerkrieg versinkt, und Nicaragua, dem die Vereinbarungen nicht weit genug gingen, haben ihre Unterschrift nicht unter das Abkommen gesetzt. Mit den USA erhält dieser Club ein illustres neues Mitglied, wobei der Ausstieg frühestens im November 2020 vollzogen werden kann, einen Tag nach der US-Präsidentschaftswahl. Will Trump den Vertrag schneller kündigen, müssten die USA auch die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verlassen, die seit 1994 in Kraft ist und bereits die Grundlage für den Weltklimavertrag von Kyoto bildete.Doch zurück in den Rose Garden, wo der US-Präsident den Ausstieg begründete. Es gehe bei dem Abkommen nicht so sehr um das Klima als vielmehr darum, die USA zu benachteiligen, erklärte Trump. Die Vereinbarung, die keine bindende Wirkung hat, koste die USA “Milliarden und Milliarden und Milliarden Dollar”, während “Millionen und Millionen Arbeitsplätze” etwa aus der Kohleindustrie ins Ausland abwanderten, sagte der Präsident und zitierte dabei eine Studie der National Economic Research Associates, die im Auftrag der U.S. Chamber of Commerce entstanden ist. Während sich die USA zu anspruchsvollen Klimazielen verpflichtet hätten, könnten “die Chinesen 13 Jahre lang tun, was sie wollen”, klagte Trump, der den Klimawandel auch schon als eine Erfindung der Volksrepublik abgetan hat.Die USA haben sich in Paris bis 2025 im Vergleich mit 2005 zu einer Reduktion von Treibhausgasemissionen um 26 bis 28 % verpflichtet und sind gestützt auf den Fracking-Boom der vergangenen Jahre mit dem rasanten Umstieg von Kohle auf Gas dabei schon ein gutes Stück vorangekommen (siehe Grafik). China hat sich bis 2030 darauf verpflichtet, die Energiegewinnung in dem Land zu 20 % auf nichtfossile Energieträger umzustellen, ohne dass dies bereits zu einer Reduktion der Emissionen führen wird, und ist dabei ebenfalls auf gutem Weg.Er sei bereit, umgehend neue Verhandlungen über einen “fairen” Klimavertrag aufzunehmen, erklärte Trump und nahm dabei ein Leitmotiv aus seinem Wahlkampf auf. “Fair” heißt in diesem Zusammenhang, dass amerikanische Interessen vorgehen. Aus Europa kam umgehend eine Absage. Das Abkommen sei nicht verhandelbar, erklärten die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich und Italien unisono.Der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen wird nach Einschätzung von Experten zunächst nur begrenzte Auswirkungen auf das Klima haben. Die Reaktionen an der Börse, wo US-Solarunternehmen die Nachricht ebenso ungerührt wie Kohleförderer aufnahmen, deuten darauf hin, dass der Abschied von Paris den Umbau der US-Energiewirtschaft nur verlangsamen, aber nicht stoppen wird. Zahlreiche Bundesstaaten und Städte – darunter auch die Stadt Pittsburgh – erklärten ebenso wie viele US-Unternehmen, dass sie ihren Beitrag zum Klimaschutz weiterhin leisten wollten. Fliehkräfte in ParisDass die USA sich von den internationalen Vereinbarungen verabschieden, birgt dennoch Risiken. Ohne den zweitgrößten Verursacher von Treibhausgasemissionen, der in Paris noch sein ganzes politisches und wirtschaftliches Gewicht in die Waagschale geworfen hatte, um den Klimavertrag zustande zu bringen, könnten die Fliehkräfte bald zunehmen und der Rahmen für die internationale Klimapolitik wieder aufgeweicht werden. Das ist eine schlechte Nachricht für alle, die von den Folgen des Klimawandels schon heute betroffen sind. Das schmälert aber auch die Chancen von Investoren, die auf den Umbau zu einer Wirtschaft mit geringerem Verbrauch fossiler Brennstoffe wetten und auf verbindliche Rahmenbedingungen setzen.