G20 strebt Mindeststeuer für Konzerne an
Reuters Berlin/Washington
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) rechnet bei der geplanten globalen Steuerreform nicht mit Hürden beim anstehenden G20-Treffen in Venedig. „Es wird jetzt alles ganz schnell gehen“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat in einem Reuters-Interview. „Das Ziel ist sehr ehrgeizig: Wir wollen alles schon so fertig haben, dass es 2023 internationale Praxis wird.“ Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hatte am Dienstagabend bereits signalisiert, dass die G20-Gruppe die Reform der Unternehmensbesteuerung mittragen werde.
Die Finanzminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer kommen am Freitag und Samstag zusammen. Es wird damit gerechnet, dass sie in ihrem Abschlusskommuniqué die OECD beauftragen werden, bis Oktober die letzten Details und einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung auszuarbeiten. Unter dem Dach der OECD hatten sich vergangene Woche 130 Länder auf eine umfassende Steuerreform verständigt, neun Staaten zogen zunächst nicht mit. Die Pläne enthalten eine globale Mindeststeuer von 15%. Außerdem sollen große Schwellenländer mehr Steuern von den größten und profitabelsten Konzernen der Welt abbekommen.
Steueroasen bekämpfen
„Es geht schon um viel Geld für Europa und für Deutschland auch, das zusätzlich eingenommen werden kann“, so Scholz. Genaue Zahlen nannte er nicht. Es gehe aber um Milliarden. Das Nachsehen hätten Steueroasen, in die weltweit agierende Konzerne immer wieder ihre Gewinne verlegen. „Dann geht es vor allem darum, dass wir sicherstellen, die Praxis der Steuervermeidung zu beenden, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten eingeschlichen hat. Das werden wir beenden. Der Steuersenkungswettlauf wird zu Ende gehen.“
Die Mindeststeuer bezeichnete Scholz als Durchbruch und größte Reform seit Jahrzehnten. Jedes Land könne zwar weiter seine Sätze festlegen, wenn ein deutscher Konzern im Ausland aber beispielsweise nur 2% auf seine dortigen Gewinne zahle, könne künftig dagegen vorgegangen werden: „Dann nehmen wir eben den Rest.“
Drei der neun Länder, die die OECD-Vereinbarung bislang nicht unterzeichnet haben, kommen aus der Europäischen Union: Irland, Ungarn und Estland – alle drei sind dafür bekannt, Konzerne mit niedrigen Steuern anzulocken. „Ich bin überzeugt, dass wir am Ende es schaffen werden, dass die europäischen Länder alle gemeinsam sich auf diese Regeln verständigen werden“, sagte Scholz. Die Erfahrung zeige, dass bei globalen Vereinbarungen viele Länder am Ende noch mitziehen. Die 130 Länder stünden für 90% der weltweiten Wirtschaftsleistung. „Es ist schon so, dass wir eigentlich sagen können, da machen jetzt quasi alle mit – und die restlichen werden es auch noch. Dafür wird dann schon der Druck sorgen, der daraus entsteht, dass so viele mitmachen.“
Laut US-Regierungsvertretern wird die US-Finanzministerin und frühere Notenbankchefin Janet Yellen im G20-Kreis in Venedig voraussichtlich dafür werben, eine noch höhere Mindeststeuer als 15% anzustreben. Eine Entscheidung darüber werde aber nicht am Wochenende erwartet. Yellen wird sich voraussichtlich Fragen gefallen lassen müssen, wie sie die Steuerreform durch den Kongress kriegen will, in dem die Republikaner unterstützt von Wirtschaftsverbänden vehement gegen höhere Steuern kämpfen.