EUROPA HAT DIE WAHL

Gefährlicher Kahlschlag im Econ

Deutscher Einfluss im Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments sinkt deutlich

Gefährlicher Kahlschlag im Econ

Von Andreas Heitker, BrüsselDer Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) gehört im EU-Parlament sicherlich zu den entscheidenden Schaltstellen der Macht. Egal ob in der Bankenregulierung oder bei neuen Steuergesetzen – die Econ-Abgeordneten haben bedeutende Mitspracherechte. Auch die Chefs der wichtigen Finanzinstitutionen sind regelmäßige Gäste. Ein wenig neidisch, so sagen Insider in Brüssel, haben die Wirtschafts- und Finanzverbände aus anderen EU-Staaten verfolgt, wie es deutschen Abgeordneten in den vergangenen Jahren immer wieder gelungen ist, sich im Econ und bei der Vergabe von wichtigen Dossiers zu positionieren und dann auch deutsche Interessen durchzusetzen.Die jüngste Neuordnung der europäischen Finanzaufsichtsbehörden wäre ohne die Vorarbeit von Burkhard Balz (CDU) sicherlich anders ausgefallen. Und dass das gerade erst verabschiedete Bankenregulierungspaket (CRD/CRR) so sehr die Belange von kleinen Instituten berücksichtigt, ist im Wesentlichen Verdienst von Peter Simon (SPD).Nach der Europawahl dürfte die Situation aus deutscher Sicht anders aussehen: Zwei Drittel der heutigen deutschen Econ-Mitglieder werden kein Mandat mehr im neuen EU-Parlament bekommen – ein Rückzug, der in einigen Fällen freiwillig, in anderen aber auch erzwungenermaßen erfolgt. Die Situation sorgt unter den Vertretern der deutschen Finanzwirtschaft in Brüssel schon seit einiger Zeit für besorgte Diskussionen. “Wir sehen einen gefährlichen Kahlschlag im Econ”, warnte kürzlich bereits der Vertreter eines deutschen Bankenverbandes in der EU-Hauptstadt. “Uns werden künftig die Ansprechpartner im Parlament fehlen.”Lediglich drei der heute neun deutschen Econ-Mitglieder schaffen es voraussichtlich, auch in der nächsten Legislaturperiode dabei zu sein: Zum Spitzenkandidaten der Linken, Martin Schirdewan, und dem Grünen Sven Giegold gesellt sich nur noch Markus Ferber. Nur drei Abgeordnete bleibenDer CSU-Politiker hat nach dem Ausscheiden des einflussreichen Burkhard Balz, der im letzten Sommer in den Bundesbank-Vorstand gewechselt war, dessen Amt des Koordinators der EVP-Fraktion im Econ übernommen. Ferber, der seit 25 Jahren im EU-Parlament sitzt und dementsprechend vernetzt ist, hält damit bei den Christdemokraten die Fäden der Ausschussarbeit in der Hand. Der Rheinland-Pfälzer Werner Langen (CDU), der ebenfalls schon seit 1994 ein Mandat hat, tritt dagegen altersbedingt ebenso wenig wieder zur Wahl an wie der ebenso erfahrene Wolf Klinz von der FDP. Der Ex-AfD-Chef Bernd Lucke hätte gerne ein neues Mandat, ist aber wohl chancenlos – genauso wie die 2018 kurzfristig in den Econ nachgerückten und hier bisher nicht weiter aufgefallenen Stefan Gehrold (CDU) und Babette Winter (SPD).Winter, frühere Thüringer Kultur-Staatssekretärin, hatte im Dezember Jakob von Weizsäcker ersetzt, der zusammen mit Peter Simon Opfer einer kruden SPD-Nominierungspolitik geworden war. Beide Politiker waren im Econ auch über Parteigrenzen hinaus hoch angesehen gewesen. Doch offenbar im Glauben, auf Wirtschaftsexpertise verzichten zu können, hat die SPD beide auf völlig aussichtslose Listenplätze gesetzt – eine Strategie, die in Brüssel bis heute für anhaltendes Kopfschütteln sorgt. Von Weizsäcker zog als Erster Konsequenzen und wechselte ins Finanzministerium nach Berlin.Wer könnte nachrücken in den künftigen Econ? Die SPD hätte nur unerfahrene Neulinge zu bieten. Die CDU hätte mit Andreas Schwab, Experte für Verbraucherschutz und Wettbewerb, einen Kandidaten, der bislang schon stellvertretendes Econ-Mitglied war. Und die FDP hat noch Marcus Scheuren zu bieten, der aktuell bereits im Econ-Sekretariat arbeitet und damit die Strukturen sehr gut kennt. Sein Problem: Er steht auf der FDP-Bundesliste nur auf Platz 9. Ein Mandat ist eher unwahrscheinlich.