NOTIERT IN FRANKFURT

Geister-HV als Stimmungskiller

Jetzt wissen wir also auch, wie virtuelle Hauptversammlung bei Banken geht. Wenn es denn "geht", also wenn der Live-Webcast ins Heimbüro in der digitalen Walachei, in der man 30 Kilometer außerhalb der Finanzmetropole Frankfurt offenbar lebt, gerade...

Geister-HV als Stimmungskiller

Jetzt wissen wir also auch, wie virtuelle Hauptversammlung bei Banken geht. Wenn es denn “geht”, also wenn der Live-Webcast ins Heimbüro in der digitalen Walachei, in der man 30 Kilometer außerhalb der Finanzmetropole Frankfurt offenbar lebt, gerade mal nicht unterbrochen ist. So viel haben wir bei den “Aktionärstreffen” von Commerzbank und Deutscher Bank, die ja keine Treffen im herkömmlichen Sinne waren, immerhin mitgekriegt: Eine Geister-HV, in der Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende ohne körperlich anwesendes Publikum auftreten, ist noch umso mehr ein Stimmungskiller als ein Geisterspiel in der Bundesliga, da mögen sich die Akteure auf dem Podium oder dem Platz noch so ins Zeug legen: steril, emotionslos, einfach trist. Schon deshalb muss man sich wünschen, dass das Coronavirus bis zur nächsten HV- respektive Fußballsaison besiegt ist.Was bei der Analyse der unwirklichen und unwirtlichen Versammlungen der Banken und Unternehmen meist allzu kurz kommt, ist die kulinarische Seite. Nun reicht es zumindest bei den Banken sowieso längst nur noch für Eintopf oder Würstchen. Gucken die Anteilseigner schon bei der monetären Ausschüttung in die Röhre, ist oft auch bei der Kaloriendividende nicht mehr drin. Altgediente HV-Gänger mit Sinn fürs Lukullische erinnern sich wehmütig, dass in den guten alten Zeiten die wahre Gewinnbeteiligung aus dem bestand, was vor, während und nach der HV aus Küche und Keller kredenzt wurde, gerne auch mal im Biergarten. Die Schwäbische Bank gab seit den 1980er Jahren einen bei Insidern sehr beliebten Aktionärs- und Gourmetführer durch die heimische Unternehmenslandschaft heraus. Ein heißer Tipp für Feinschmecker war etwa die HV der vormaligen Württembergischen Cattunmanufaktur (WCM). Auszug aus der Speisekarte zum Beispiel des Jahres 1987: Lachsforellenfilet, Schwarzwälder Rauchfleisch, Schweinehals im Brotteig, Bietigheimer Laubfrösche, “g’schmälzte Kässpatza”, Weinschaumsoße mit Schattenmorellen, Apfelküchle in Vanillesoße . . . Der hilfreiche Guide wurde leider 2004 eingestellt, weil zu viele Unternehmen ihren Menüplan nicht mehr preisgeben mochten.Zurück in die ernüchternde Gegenwart. Die DZ Bank geht in der Coronazeit einen anderen Weg als Deutsche und Commerzbank. Das Spitzeninstitut ist zwar keine Publikumsgesellschaft, sondern ein genossenschaftliches “Familienunternehmen”, kann aber gewöhnlich durchaus 400 bis 600 Teilnehmer aus der Finanzgruppe zu seiner HV begrüßen. Das Treffen findet diesmal aber nicht ersatzweise virtuell statt, sondern zumindest theoretisch als Präsenzveranstaltung. Allerdings wurden die Aktionäre “nachdrücklich gebeten”, nicht etwa auf die Idee zu kommen, sich am Mittwoch am Veranstaltungsort, im Bankgebäude, einzufinden. Sie sollten vielmehr die Bereichsleiterin Recht als Stimmrechtsvertreterin bevollmächtigen. Eine geringe Präsenz sei Voraussetzung dafür, dass die Hauptversammlung stattfinden könne, heißt es in der “Einladung”, mit der die Eigentümer tatsächlich ausgeladen wurden. Mal sehen, wie viele trotzdem kommen.