Geldwäscher lassen Italien hoffen

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 11.7.2014 Ein weit verbreitetes Laster kann manchmal auch seine Vorteile haben. Dieser Ansicht sind italienische Wirtschaftsexperten nach den jüngst veröffentlichten Daten über die im Land weit...

Geldwäscher lassen Italien hoffen

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandEin weit verbreitetes Laster kann manchmal auch seine Vorteile haben. Dieser Ansicht sind italienische Wirtschaftsexperten nach den jüngst veröffentlichten Daten über die im Land weit verbreiteten Geldwäsche-Deals. Nach Angaben der Banca d’Italia haben die verdächtigen Finanzoperationen, auf gut Deutsch: Geldwäsche-Deals, im Vorjahr 84 Mrd. Euro ausgemacht. Das sind rund 5 % des Bruttoinlandproduktes (BIP). “Was die EZB nicht schafft, schaffen die Geldwäscher”, heißt es in den Medien ironisch. Denn sollten die von der Banca d’Italia veröffentlichten Daten tatsächlich dazu führen, Italiens BIP um 5 % aufzuwerten, würde Italiens Schuldenproblem mit einem Schlag relativiert werden.Tatsächlich wirkt es wie eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die Untugenden des organisierten Verbrechens und anderer dazu führen, der italienischen Regierung eine Atempause zu verschaffen. Der seit Februar amtierende Regierungschef Matteo Renzi und sein Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Carlo Padoan haben in den vergangenen Wochen unentwegt versucht, die Partner in Europa zu einer Lockerung der Maastricht-Kriterien zu bewegen. Ihre Bemühungen waren bislang weitgehend umsonst.Italien sitzt auf einem Schuldenberg von rund 133 % des BIP. Und die Neuverschuldung droht im laufenden Jahr die 3-Prozent-Grenze zu überschreiten, statt wie angepeilt bei 2,7 % zu liegen. Der ehemalige Hoffnungsschimmer, dass sich durch mehr Wachstum die Schuldensituation bessert, ist verblasst. Denn nach den jüngsten Prognosen des statistischen Amtes wird Italiens Wirtschaft im laufenden Jahr bestenfalls um 0,3 % wachsen und schlimmstenfalls sogar um 0,1 % schrumpfen. Gegenüber der zweckoptimistischen Regierungsprognose von 0,8 % wirkt die jüngste Istat-Vorschau wie eine kalte Dusche. Sicher ist einzig, dass die für 2014 prognostizierte Wirtschaftsbelebung neuerlich um ein Jahr oder mehr verschoben wird.Grund für die verzögerte Belebung ist die anhaltend hohe Arbeitslosenquote von knapp 13 % und die mangelnden Investitionen. “Solange die Banken nicht die Kreditzügel lockern und den Unternehmen mehr Kredite gewähren, wird sich die Investitionsflaute nicht ändern”, sagt der Mailänder Wirtschaftsberater Siegfried Mayr.Nun aber kommt ein unverhoffter Lichtschimmer. Italiens BIP könnte 2014 nicht nur um 0,8 %, sondern sogar um 5 % zunehmen. Natürlich handelt es sich um kein orthodoxes Signal der Wirtschaftsbelebung. Nicht ein organisches Wachstum, sondern die Kalkulation der Geldwäsche-Operationen könnten dazu verhelfen, dass das BIP aufgewertet wird. Dadurch könnte nach Berechnung von Wirtschaftsexperten die Gesamtverschuldung auf unter 130 % und die Neuverschuldung auf unter 2,8 % des BIP sinken. Nicht einmal die EZB hat mit ihrer großzügigen Geldpolitik ein entsprechendes Wunder bewirkt.Laut Angaben der von der Banca d’Italia kontrollierten Finanzbehörde Uif haben im Vorjahr die von der Behörde erfassten, verdächtigen Finanzoperation auf 65 000 Deals im Wert von geschätzt 84 Mrd. Euro zugenommen. 0,3 % der verdächtigen Finanzoperationen werden dem Terrorismus zugerechnet. Der Rest betrifft Geldwäsche-Deals. Rund 85 % der Meldungen über suspekte Geldgeschäfte kamen von Banken und vom Postkonzern. Hingegen haben die Wertpapier- und Immobilienhändler sowie die bankunabhängigen Vermögensverwalter nur knapp 10 % der suspekten Operationen gemeldet. Und nur 4 % der Meldungen kamen von Rechtsanwälten und Notaren.Aus dem erstmals präsentierten Uif-Report geht nicht nur hervor, dass der geschätzte Wert der suspekten Finanzgeschäfte seit sieben Jahren um 420 % gewachsen ist. Es wird auch deutlich gemacht, dass durch die lang anhaltende Wirtschaftskrise die Anzahl von Geldwäscheoperationen und Wucherzinsen “beachtlich” zugenommen habe.Noch ist nicht sicher, ob die Geldwäsche-Deals tatsächlich zur neuen Kalkulation des BIP, zu dessen Anpassung nach oben, beitragen werden. Sollte dies der Fall sein, kann Regierungschef Renzi aufatmen und die geplanten Mehrausgaben tätigen, ohne ein Aufblähen der Schuldenquoten befürchten zu müssen. ——–Hohe Schulden, lahme Wirtschaft:Rom setzt nun auf einen etwas anderen Impuls.——-