Gemischte Konjunktursignale für die EZB
ms Frankfurt – Während die Europäische Zentralbank (EZB) um Details ihres künftigen geldpolitischen Kurses grübelt, gab es für die Notenbanker gestern gemischte Signale aus der Euro-Wirtschaft: Einerseits legte die Inflation in Deutschland im September unerwartet und sogar stark zu – was auch auf die Euro-Teuerung ausstrahlen dürfte. Zudem nahm die Kreditvergabe in Euroland im August weiter Fahrt auf. Andererseits trübte sich die Wirtschaftsstimmung im September erneut ein und auch das Geldmengenwachstum im August blieb hinter den Erwartungen zurück.Die EZB hat generell in Aussicht gestellt, ihre Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) zum Jahresende zu beenden. Zugleich will der EZB-Rat aber bis weit ins Jahr 2019 hinein an den aktuellen rekordniedrigen Leitzinsen festhalten. Auch nach dem Ende der Nettokäufe will die EZB aber auslaufende QE-Papiere reinvestieren – und die Notenbanker ringen aktuell um die Details. Zudem gibt es Diskussionen über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung und die Kommunikation zum Zinspfad.Für die anstehenden Entscheidungen sind der Ausblick für die Inflation und das Wachstum in der Eurozone maßgeblich. Grundsätzlich scheint sich der Aufschwung fortzusetzen, wenn auch etwas gedämpft. Das spricht auch für ein weiteres Anziehen der Teuerung. Zugleich nehmen die Risiken aber zu, nicht zuletzt durch die globalen Handelsstreitigkeiten. Deswegen werden alle Daten aktuell noch intensiver beäugt.Die deutsche Inflation machte nun im September unerwartet einen starken Sprung. Gemäß dem für EU-Zwecke berechneten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) kletterte sie von zuvor 1,9 % auf 2,2 %, wie Destatis gestern in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten mit einem unveränderten Wert gerechnet. In nationaler Rechnung ging es von 2,0 % auf 2,3 % nach oben. Wesentlicher Treiber waren deutliche Preissprünge bei Energie und Lebensmitteln. Aber es verteuerten sich beispielsweise auch Dienstleistungen stärker als im August.”Die Zeit von Deflationsrisiken und ultraniedrigen Leitzinsen neigt sich dem Ende zu”, sagte Jens-Oliver Niklasch, Senior Economist der LBBW: “Künftig sollten sich die Währungshüter wieder verstärkt der Oberseite der Inflationsrisiken zuwenden.” Heute legt Eurostat eine erste Schätzung für den Euroraum vor. Bislang hatten Volkswirte unveränderte 2,0 % erwartet. Mit der überraschenden Entwicklung in Deutschland könnte der Wert aber auch höher liegen, bei 2,1 % oder gar 2,2 %.EZB-Präsident Mario Draghi hatte erst am Montag mit Aussagen für Aufsehen gesorgt, die verbreitet als optimistischer zum Inflationsausblick interpretiert worden waren. De facto hatte er aber nur den bisherigen EZB-Ausblick genauer ausgeführt. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hatte denn auch Spekulationen auf eine schnellere Zinswende gedämpft (vgl. BZ vom 26. September).Positive Nachrichten gab es gestern auch von der Kreditfront. Die Banken im Euroraum gaben im August 4,2 % mehr Darlehen an Unternehmen aus als vor Jahresfrist, wie die EZB gestern mitteilte. Im Juli hatte das Plus bei 4,0 % gelegen. Die Kreditvergabe an Unternehmen steht mit Blick auf die Investitionen aktuell besonders im Fokus. “Für die Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung sind die günstigen Finanzierungsbedingungen und der weitgehend reibungslose Finanzierungszugang zweifellos eine wichtige Stütze”, sagte KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.Dagegen verschlechterte sich allerdings die Wirtschaftsstimmung im Euroraum im September erneut. Der Economic Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst, fiel im Vergleich zum Vormonat um 0,7 Punkte auf 110,9 Zähler. Das ist der tiefste Stand seit Mitte 2017. Analysten hatten nur einen Rückgang auf 111,2 Punkte erwartet.Eher auf der Negativseite zu verbuchen war gestern auch das schwache Wachstum der Geldmengen im Euroraum. Die breit gefasste Geldmenge M3 erhöhte sich zum Vorjahresmonat nur um 3,5 %, wie die EZB mitteilte. Experten hatten nach 4,0 % im Juli nun 3,9 % erwartet. Auch das Wachstum der enger gefassten Geldmenge M1 ging im August deutlich zurück – von 6,9 % auf 6,4 %. M1 gilt als guter Konjunkturindikator.