Gemischte Signale von der Preisfront

Experten heben Inflationsprognosen an, sehen aber das EZB-Ziel von 2 Prozent bis 2019 nicht in Sicht

Gemischte Signale von der Preisfront

Die EZB will trotz des jüngsten Inflationsanstiegs unbeirrt an ihrer ultralockeren Geldpolitik festhalten. Kritiker dagegen mahnen einen Kurswechsel an. Wie geht es nun weiter bei der Teuerung – und damit bei den Euro-Hütern?Von Mark Schrörs, FrankfurtDer rasante Anstieg der Inflation im Euroraum Ende 2016 hat vor allem in Deutschland eine hitzige Debatte darüber ausgelöst, wie es an der Preisfront weitergeht und was das für die Europäische Zentralbank (EZB) bedeutet. Deutsche Ökonomen und Politiker drängen die EZB angesichts der anziehenden Inflation und der Erwartung einer weiter steigenden Teuerung zum baldigen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik. Die EZB um Notenbankchef Mario Draghi spielt den Inflationsanstieg als temporäres Phänomen herunter und hält unbeirrt Kurs.Die am Freitag veröffentlichte vierteljährliche Umfrage der EZB unter professionellen Beobachtern (Survey of Professional Forecasters, SPF) enthält da nun gemischte Signale: Einerseits sollten die Ergebnisse auch im EZB-Rat die Zuversicht stärken, dass sich die Inflationsrate in die richtige Richtung entwickelt – nachdem sie lange nahe oder gar unter null lag. Andererseits aber könnte die Umfrage Bedenken vieler Notenbanker bestätigen, dass es noch (zu) lange dauert, bis die Inflation nachhaltig in den Bereich des EZB-Ziels von unter, aber nahe 2 % steigt.Für 2017 und 2018 schraubten die Experten ihre Inflationserwartungen von 1,2 % auf 1,4 % sowie von 1,4 % auf 1,5 % hinauf – vor allem wegen der wieder gestiegenen Ölpreise. Für 2019 gehen sie aktuell von 1,6 % aus. Sie bestätigen damit die Erwartung der EZB eines allmählichen Inflationsanstiegs. De facto aber erwarten sie die Teuerung damit auf Sicht der nächsten drei Jahre unterhalb dessen, was zumindest die Mehrheit im EZB-Rat als in Einklang mit dem 2 %-Ziel sehen dürfte. Für 2019 sind sie sogar skeptischer als die EZB selbst, die 1,7 % erwartet. Und selbst diesen Wert hat Draghi als “nicht wirklich” in Einklang mit dem EZB-Ziel bezeichnet.Insbesondere sind sie auch weniger zuversichtlich, was die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel betrifft. Sie erwarten da für die nächsten drei Jahre 1,1 %, 1,3 % und 1,5 %. Die EZB-Volkswirte haben in ihren Projektionen von Anfang Dezember 1,1 %, 1,4 % und 1,7 % vorausgesagt. Der Entwicklung der Kernrate kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil die EZB sie aktuell stark in den Vordergrund stellt – als Voraussetzung für einen nachhaltigen Anstieg der Teuerung.Im Dezember 2016 hatte sich die Inflation im Euroraum unerwartet deutlich von 0,6 % auf 1,1 % beschleunigt. Das war aber primär getrieben von Basiseffekten aus der Ölpreisentwicklung. Diese dürften die Teuerung nun weiter steigen lassen, womöglich bis auf 1,7 % oder 1,8 % im Februar. Im weiteren Jahresverlauf aber dürfte die Inflation dann wieder nachlassen. Die Kernrate lag zuletzt bei 0,9 %.Positiv an der jüngsten Umfrage ist indes, dass die längerfristige Erwartung erneut bei 1,8 % und damit im Bereich des EZB-Ziels liegt. Die mittel- und längerfristigen Erwartungen stehen bei der EZB im besonderen Fokus, weil sie etwa über die Lohnsetzung einen großen Einfluss auf die tatsächliche Teuerung haben. Zudem gelten sie als Ausweis dafür, inwieweit eine Zentralbank Glaubwürdigkeit hat.In den vergangenen Monaten und Jahren war es dabei zu einer großen Diskrepanz gekommen zwischen umfrage- und marktbasierten Inflationserwartungen (siehe Grafik). Während die Umfragewerte recht stabil waren, sackten die aus Marktkontrakten abgeleiteten Erwartungen kräftig ab. Auch wenn die Gründe dafür umstritten waren, schürte das bei vielen Notenbankern große Sorgen und es war ein wesentlicher Faktor für Null- und Negativzinsen sowie die breiten Anleihenkäufe.Zuletzt aber haben die marktbasierten Inflationserwartungen auf mittlere Sicht wieder deutlich angezogen. Die Erwartung für die Inflation in fünf Jahren für die nächsten fünf Jahre ist von ihrem Tief von rund 1,25 % im Sommer 2016 auf zuletzt gut 1,75 % geklettert. Der Markt nähert sich damit dem Umfragewert an. Dahinter steckt nicht zuletzt die Debatte über eine “Reflationierung” angesichts des Ölpreisanstiegs und des Machtwechsels in den USA.Allen Inflationsprognosen ist indes gemein, dass sie stark von den Annahmen nicht zuletzt über den Ölpreis abhängen. In der neuen SPF-Umfrage gehen die Befragten davon aus, dass der Ölpreis von rund 54 Dollar je Barrel (159 Liter) im ersten Quartal 2017 auf 56 Dollar Ende 2017 und dann bis auf 59 Dollar im Jahr 2019 klettert. Aktuell aber liegt die Ölsorte Brent bereits bei rund 55 Dollar. Sollte der Ölpreis stärker ansteigen als unterstellt, zöge auch die Inflation kräftiger an. Das hatte auch EZB-Präsident Draghi nach der Zinssitzung am Donnerstag für die nächsten beiden Quartale in Aussicht gestellt. Sollte sich dieses Aufwärtsrisiko materialisieren, dürfte die Debatte über den EZB-Kurs noch deutlich hitziger werden.