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Giovanni Tria - ein Minister auf Abruf

Von Gerhard Bläske, Mailand Börsen-Zeitung, 3.10.2018 Eigentlich müsste Giovanni Tria zurücktreten. Italiens Wirtschafts- und Finanzminister ist völlig isoliert innerhalb der Regierung. Wochenlang hatte er darum gekämpft, dass das Haushaltsdefizit...

Giovanni Tria - ein Minister auf Abruf

Von Gerhard Bläske, MailandEigentlich müsste Giovanni Tria zurücktreten. Italiens Wirtschafts- und Finanzminister ist völlig isoliert innerhalb der Regierung. Wochenlang hatte er darum gekämpft, dass das Haushaltsdefizit 2019 wenigstens unter 2 % bleibt. Das wäre immer noch deutlich mehr als die 1,6 % von 2018 und die 0,8 %, die die Vorgängerregierung unter Paolo Gentiloni plante. Brüssel hätte wohl auch 1,8 % akzeptiert. Aber die 2,4 %, welche die Regierung jetzt anpeilt, sind eine Provokation. Dennoch gab Tria klein bei. Er hat keinerlei Unterstützung innerhalb der Regierung. Dabei hatte er vor einigen Wochen noch selbst gesagt, dass ein paar Milliarden Euro mehr Defizit, wie die populistische 5 Stelle und die rechtsnationale Lega forderten, sich nicht auszahlten. Denn dann stiegen die Zinsen und dann habe man letztlich auch nicht mehr zur Verfügung.Doch nun trägt er die Provokation gegenüber Brüssel mit und lässt sich nichts anmerken. Mit stoischer Ruhe verteidigte er das hohe Defizit beim Eurogruppen-Treffen in Luxemburg, obwohl dieses seinen eigenen Überzeugungen widerspricht. Viele Fragen seiner europäischen Kollegen konnte Tria ohnehin nicht beantworten, weil sie nicht geklärt sind – weder Details zu den Planungen noch ob die Mittel in Investitionen fließen, was zumindest beim bedingungslosen Grundeinkommen mehr als fraglich ist. Dies ist eher eine Sozialmaßnahme für Arbeitslose im Süden und dürfte dort die Schwarzarbeit fördern, weil es kaum Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung und Kontrollen gibt.Dass der parteilose Tria im Amt bleibt, soll an Staatspräsident Sergio Mattarella liegen, der ihn zum Bleiben überredet haben soll. Zwar galt der frühere Präsident der Fakultät für Wirtschaft an der römischen Universität Tor Vergata, die nicht zur allerersten Reihe der Hochschulen des Landes zählt, bisher als Stabilitätsanker in der Regierung gegenüber den Märkten. Doch diese Rolle hat er längst verloren: Die Finanzmärkte reagieren auf die Defizitzahlen panisch. Der Spread zwischen deutschen und italienischen Zehnjahresanleihen ist auf über 300 Basispunkte gestiegen, die Aktien italienischer Banken erleben ein Blutbad.EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fürchtet das Ende des Euro, wenn Italien eine Sonderbehandlung bekäme. Das Defizit steigt. Die Schulden, mit 132 % des Bruttoinlandsprodukts ohnehin auf zweithöchstem Niveau in Europa, werden weiter anwachsen – auch wenn Tria behauptet, das Gegenteil sei der Fall, weil Grundeinkommen, Flat Tax und Investitionen das lahmende Wachstum ankurbeln würden. Das aber glaubt außerhalb der Regierung niemand, weswegen das Defizit eher noch höher ausfallen wird.Doch Tria, der nur zweite Wahl war, weil der für das Amt des Wirtschaftsministers vorgesehene Paolo Savona von Staatspräsident Mattarella abgelehnt worden war, verteidigt den Regierungskurs. Selbst Rücktrittsforderungen und Angriffe aus der eigenen Regierung erträgt er mit Ruhe. Vermutlich kennt der 69-jährige Jurist solche Attacken aus seiner Jugend, als er Maoist war. Vertrauen verlorenDas Ecofin-Treffen “schwänzte” er, weil er zurück nach Rom wollte, um Details zu klären. Die Märkte haben längst das Vertrauen in ihn verloren. Vizeminister und 5-Stelle-Chef Luigi Di Maio heizt die Stimmung noch an und wirft der EU “Terrorismus” vor, weil sie die Finanzmärkte gegen Italien in Stellung bringe. Lega-Chef Matteo Salvini spricht von Angriffen der “Bürokraten aus Brüssel” und Claudio Borghi, Präsident des Haushaltsausschusses des italienischen Parlaments, findet, dass Italien mit einer eigenen Währung den Großteil seiner Probleme selbst lösen könne. Wie lange Tria sich das noch antut, bleibt abzuwarten. Spätestens wenn die Ratingagenturen Italien zurückstufen, dürfte auch er, der dem Euro nicht uneingeschränkt positiv gegenübersteht, die Konsequenzen ziehen. Er ist nur mehr ein Feigenblatt, das nichts mehr verdeckt.