DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE - KÖPFE DES JAHRES

Gipfelstürmer

hip - Es kommt nicht oft vor, dass ein amtierender Premierminister bei der Wiederwahl mehr Stimmen bekommt als zuvor. Der britische Premier David Cameron (49) hat es geschafft. Er kann seit Mai ohne die Liberaldemokraten regieren, mit denen die...

Gipfelstürmer

hip – Es kommt nicht oft vor, dass ein amtierender Premierminister bei der Wiederwahl mehr Stimmen bekommt als zuvor. Der britische Premier David Cameron (49) hat es geschafft. Er kann seit Mai ohne die Liberaldemokraten regieren, mit denen die Konservativen zuvor eine Koalition gebildet hatten. Als der jüngste Premierminister seit zwei Jahrhunderten im Mai 2010 die Regierungsgeschäfte übernahm, versprach er, alles zu tun, um das unter den Folgen der Finanzkrise leidende Königreich wieder zu alter Wirtschaftskraft zurückzuführen. Tatsächlich übertraf das Wirtschaftswachstum zuletzt das aller anderen westlichen Industriestaaten. Die Beschäftigung erreichte einen historischen Höchststand, Arbeitslosigkeit und Haushaltsdefizit gingen zurück und die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors verbesserte sich. “Die britische Regierung hat es vermocht, den Schaden aus der Krise auf eine Art und Weise zu bewältigen, wie das nur wenige andere Länder geschafft haben”, lobte IWF-Chefin Christine Lagarde die Briten.Cameron schaffte es zudem, das Vereinigte Königreich zusammenzuhalten: Das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland endete mit einer Niederlage der Nationalisten. Allerdings könnte den überzeugten Europäer sein Wahlversprechen, bis Ende 2017 eine Volksabstimmung über die Zukunft des Landes in Europa abzuhalten, teuer zu stehen kommen. Seine Vorschläge für eine Reform der EU finden in Brüssel wenig Anklang. Vor allem die Forderung, Zuwanderern aus den Armutsregionen der Staatengemeinschaft erst nach vier Jahren Sozialleistungen zahlen zu müssen, rief – nicht nur in deren Herkunftsländern – Empörung hervor. Die EU-Gegner in den Reihen der Tories sind stark, die Mehrheit der Konservativen im Unterhaus ist knapp. Es dürfte Cameron trotz seines überwältigenden Kommunikationstalents schwerfallen, die Ergebnisse seiner Gespräche zur EU-Reform als Erfolg zu verkaufen. Es wird damit gerechnet, dass das Referendum entweder im Frühsommer oder im Herbst 2016 stattfindet. In den Umfragen liegen Befürworter und Gegner des Brexit mittlerweile gleichauf. Sollten sich die Briten für den Austritt aus der EU entscheiden, kommen auf den Gipfelstürmer dunkle Tage zu. Die Neuverschuldung dürfte sich rasant verteuern, wenn Anleger die mit einem Brexit verbundene Unsicherheit einpreisen. Das Wachstum erhielte einen Dämpfer. Frau Lagarde würde sich kaum mehr lobend äußern.Der Oxford-Absolvent, der kurze Zeit in der Public-Relations-Branche verbrachte, verdankt seinen Erfolg seinem Charisma. Für die Wähler war es eher vorstellbar, einen Abend mit Cameron zu verbringen als mit seinem hölzernen Herausforderer Ed Miliband – von dessen Nachfolger, dem professoralen Jeremy Corbyn, ganz zu schweigen.