Globale Mindeststeuer brächte der EU viele Milliarden
ahe Brüssel
Die EU würde von der Einführung einer globalen Mindeststeuer, wie sie derzeit auf OECD-Ebene verhandelt wird, mit mindestens zweistelligen Milliardenbeträgen pro Jahr profitieren können. Dies geht aus Berechnungen der neuen EU-Steuerbeobachtungsstelle hervor. Dem Bericht des unabhängigen Expertengremiums zufolge, das unter der Leitung des Franzosen Gabriel Zucman an der Paris School of Economics angesiedelt wurde, würde bereits ein Steuersatz von 15% in der Europäischen Union für zusätzliche öffentliche Einnahmen von rund 50 Mrd. Euro sorgen.
Bei einem Steuersatz von 25% wären es demnach bereits 170 Mrd. Euro. Der Studie zufolge würde auch ein einzelnes EU-Land, das sich einseitig dafür entscheiden würde, seine multinationalen Unternehmen einem Mindestsatz von 25% zu unterwerfen und ausländische Unternehmen entsprechend zu besteuern, profitieren: Die Beobachtungsstelle rechnet in dem Fall mit um bis zu 70% erhöhten Körperschaftsteuereinnahmen.
In den OECD-Verhandlungen hatten die USA zuletzt eine globale Mindeststeuer von 15% vorgeschlagen, nachdem die US-Regierung sich zunächst für 21% starkgemacht hatte. Auch das Bundesfinanzministerium hält einen 15-Prozent-Satz für realistisch. OECD-Generalsekretär Mathias Cormann betonte am Dienstag, er sei zuversichtlich, dass ein Konsens gefunden werde.
Die Studie ist der erste Diskussionsbeitrag der neuen Beobachtungsstelle, für die EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Dienstag den Startschuss gab. Die von der EU-Kommission bezahlte, aber unabhängig agierende Forschungseinrichtung, die die EU bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und aggressiver Steuerplanung von Unternehmen unterstützen soll, war auf Initiative des grünen EU-Abgeordneten Sven Giegold entstanden.
Gentiloni betonte, die Einrichtung nehme zum richtigen Zeitpunkt ihre Arbeit auf. Es sei überaus wichtig, dass die öffentlichen Einnahmen geschützt würden, die für die Erholung und die enormen Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel gebraucht würden.
Country-by-Country-Reporting
Am Dienstagabend haben Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments darüber hinaus beschlossen, dass große Unternehmen in der Europäischen Union künftig offenlegen müssen, wie viel Steuern sie in welchem Land zahlen. Das sogenannte Country-by-Country-Reporting soll helfen, Steuersparmodelle von Firmen zu begrenzen. Mit der Einigung endet ein fünfjähriger Streit.
Die EU-Kommission hatte schon 2016 den Vorschlag zur Änderung der Rechnungslegung gemacht. Die Country-by-Country-Regeln sollen für multinationale Unternehmen mit weltweit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz gelten. In einem länderbezogenen Bericht sollen sie unter anderem die Nettoumsätze, Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern veröffentlichen.
Die Daten sollen für alle EU-Staaten aufgeschlüsselt werden. Dies gilt auch für Länder auf der sogenannten Schwarzen Liste der Steueroasen sowie für Staaten, die mindestens zwei Jahre hintereinander auf der sogenannten Grauen Liste stehen, derzeit zum Beispiel die Türkei.
„Die Einigung ist ein Meilenstein für Steuergerechtigkeit in Europa“, erklärte der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold nach der Einigung. „Länderbezogene Steuertransparenz ist ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, wird Steuerdumping jedes Jahr für alle sichtbar.“ Das werde dem Ruf der Unternehmen schaden, sagte der Europaabgeordnete. Europa werde so weltweit zum Vorreiter für Steuertransparenz.
Einige große Unternehmen nutzen Tochterfirmen, um Gewinne in Länder mit möglichst niedrigen Steuersätzen zu verschieben und so die Zahlungen an den Fiskus zu drücken. Das geschieht innerhalb der EU, aber auch weltweit.
Das Europaparlament hatte sich schon 2017 für das öffentliche Country-by-Country-Reporting stark gemacht und seine Verhandlungsposition festgelegt. Die EU-Staaten akzeptierten das Prinzip jedoch nach jahrelanger Debatte erst in diesem Frühjahr mit der nötigen Mehrheit. Deutschland enthielt sich. In den Verhandlungen mit dem Europaparlament ging es um die letzten Details des Plans.
EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni hatte schon am Dienstagvormittag in Erwartung einer Einigung gesagt: „Es ist ein Schritt voran, man kann natürlich nie alles erreichen, was man wollte.“