Grenzen
Es ist sicher kein Zufall, dass just an dem Tag, an dem die EZB verstärkte Anleihekäufe gegen den Anstieg der Euro-Staatsanleiherenditen beschließt, eine neue Klage bekennender EZB-Gegner vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Corona-Notfallanleiheankaufprogramm PEPP bekannt wird. Nun ist Letzteres keine Überraschung – es war nur eine Frage der Zeit. Und akute Folgen hat es nicht – ein Urteil dürfte erst in ein paar Jahren fallen. Trotzdem sollte die Klage der EZB eine weitere Mahnung sein, es nicht zu übertreiben – auch in der aktuellen Lage.
Die Kläger sehen PEPP als „krassen Fall der monetären Staatsfinanzierung“, die ihr der EU-Vertrag verbietet. Tatsächlich kauft die EZB mit PEPP im Notfall gezielt die Anleihen einzelner Euro-Krisenländer – was mindestens grenzwertig erscheint. Karlsruhe hat in seinem Urteil zum EZB-Staatsanleihekaufprogramm PSPP aber klargemacht, dass es auf die Gesamtschau der Ausgestaltung und den ökonomischen Kontext eines solchen Programms ankomme. Die außergewöhnlichen Umstände der Pandemie und der Jahrhundertrezession könnten also diese in Volumen und Ausgestaltung außergewöhnlichen Staatsanleihekäufe rechtfertigen.
Ganz sicher aber hat das Gericht der EZB keinen Persilschein ausgestellt – und die Euro-Hüter sollten weder Interesse an weiteren Konflikten mit Karlsruhe noch an einem weiter schwindenden Rückhalt in der deutschen Öffentlichkeit haben. Daraus folgt zum einen, dass PEPP nicht zur Dauereinrichtung werden darf und strikt auf die Krisenphase beschränkt bleiben muss. Zum anderen heißt das aber eben auch, dass die EZB auch während des Kriseneinsatzes nicht überziehen sollte. Es ist deshalb positiv, dass der EZB-Rat nicht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Märkten das PEPP-Volumen von 1,85 Bill. Euro erhöht hat. Genauso positiv ist, dass das beschlossene erhöhte Kauftempo erst einmal auf ein Quartal klar begrenzt ist und der EZB-Rat weiter betont, dass die 1,85 Bill. Euro nicht ganz ausgeschöpft werden müssen. Wenn es ab Mitte des Jahres eine kräftige Wirtschaftserholung gibt, kann und sollte auch die EZB den Fuß etwas vom Gas nehmen.
Kurzfristig blieb den Euro-Hütern jetzt kaum etwas anderes übrig, als ein Zeichen zu setzen und einen weiteren abrupten Anstieg der Renditen zu verhindern. Das war auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die EZB-Oberen sollten sich aber auch nicht durch ihre eigenen Worte unnötig zusätzlich unter Druck setzen. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren – die faktischen wie die rechtlichen Grenzen.