Griechenland bekommt Interimsregierung

Gerichtshofpräsidentin soll Kabinett bilden

Griechenland bekommt Interimsregierung

dpa-afx Athen – In Griechenland soll erstmals eine Frau die Regierung führen – übergangsweise. Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos beauftragte am Donnerstag die Präsidentin des höchsten Gerichtshofes (Areopag), Vasiliki Thanou, mit der Bildung einer Interimsregierung. Sie soll bis zu den Neuwahlen im Amt bleiben. Zuvor seien alle Bemühungen gescheitert, in den Reihen des bestehenden Parlaments eine neue Regierungsmehrheit zu finden, teilte das Büro des Präsidenten mit.Mit der Entscheidung ist der Weg zur Neuwahl frei, die der bisherige Ministerpräsident Alexis Tsipras mit seinem Rücktritt vergangene Woche erreichen wollte. Laut Verfassung sind Neuwahlen frühestens 21 Tage nach Einsetzung der Interimsregierung möglich, spätestens nach 30 müssen sie abgehalten sein. Die vorgezogenen Wahlen sollen am 20. September stattfinden, berichtete das Staatsfernsehen unter Berufung auf Kreise der Staatspräsidentschaft. Am heutigen Freitag soll das Kabinett von Thanou ernannt und vereidigt sowie das Dekret zur Auflösung des Parlaments und das Datum der Wahlen offiziell verkündet werden.In den vergangenen Tagen waren alle Sondierungen zur Bildung einer Regierung,die das Vertrauen des Parlaments haben würde, gescheitert. Gestern legte der Chef der neuen Linkspartei Volkseinheit (LAE), Panagiotis Lafazanis, nach dreitägiger Sondierung das Mandat nieder. Am Montag hatte bereits der Chef der Konservativen, Evangelos Meimarakis, seine Bemühungen um eine Regierungsmehrheit ergebnislos beendet. Nach Abschluss der Sondierungen nahm Staatspräsident Pavlopoulos telefonisch Kontakt mit allen Parteivorsitzenden auf. Daraus ergab sich, dass eine letzte Sitzung der Parteichefs zwecks Untersuchung der Möglichkeiten zur Bildung einer von mehreren Parteien unterstützten Regierung – wie die Verfassung es vorsieht – nicht notwendig sei. Die Parteichefs erklärten Pavlopoulos, sie wollten sich nicht an einem solchen Treffen beteiligen, weil sie keine Einigungschancen sähen. Dies teilte die Staatspräsidentschaft mit.Tsipras will sich durch seinen Rücktritt von den griechischen Wählern ein neues Mandat zur Umsetzung des harten Sparprogramms geben lassen. Diese Maßnahmen hatte die Athener Regierung im Gegenzug für weitere EU-Hilfen von bis zu 86 Mrd. Euro zusagen müssen. Einer der Architekten der Vereinbarung, Finanzminister Euklid Tsakalotos, wird an der Umsetzung wohl nicht mehr beteiligt sein: Gestern meldete die “Bild”-Zeitung, er wolle sein Amt abgeben. Nach den Neuwahlen strebe er kein Ministeramt an, weil er die vereinbarten Reformen nicht durchsetzen will, schreibt das Blatt unter Berufung auf griechische Regierungskreise. ESM-Chef Klaus Regling maß Tsakalotos einen großen Anteil am zügigen Abschluss des dritten Hilfsprogramms zu. Die Arbeit sei “gut, angenehm und ausgesprochen produktiv” gewesen. In Athen werden mit Spannung die ersten Umfragen erwartet, dieam Wochenende vorliegen sollen.