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Griechenland-Krise überschattet Vorwahlkampf in Portugal

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 14.7.2015 In Portugal haben die endlos langen Verhandlungen über das Hilfsprogramm für Griechenland besonders stark an den Nerven gezehrt. Den Portugiesen war bewusst, dass im Falle eines Grexit ihr Land...

Griechenland-Krise überschattet Vorwahlkampf in Portugal

Von Thilo Schäfer, MadridIn Portugal haben die endlos langen Verhandlungen über das Hilfsprogramm für Griechenland besonders stark an den Nerven gezehrt. Den Portugiesen war bewusst, dass im Falle eines Grexit ihr Land als nächstes in die Schusslinie der Finanzmärkte geraten würde. Zwar ist Portugal nach dem Rettungsschirm wieder auf Kurs, doch die hohe Staatsverschuldung von 130 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und anhaltende strukturelle Probleme machen dieses Land mit gut 10 Millionen Einwohnern verwundbar. Der Verhandlungsmarathon mit Athen hat auch innenpolitische Wirkung gehabt, denn im September oder Oktober stehen in Portugal Parlamentswahlen an, und die sozialistische Opposition macht Druck gegen die nicht besonders populäre Austeritätspolitik der konservativen Koalition.Ministerpräsident Pedro Passos Coelho hatte zuletzt mehrfach den Vorwurf zurückgewiesen, gegenüber der griechischen Regierung einen besonders harten Kurs zu fahren, da er Athen angeblich nicht mehr Flexibilität gewähren wollte, als sein Land während der drei Jahre unter der Fuchtel der Troika erfahren hatte. Er könne nicht verstehen, wie man das neue Hilfspaket als “Erniedrigung” für Griechenland betrachten könne, sagte er im Anschluss an den Sondergipfel vom Sonntag. Athen würden 86 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt – “mehr als unser gesamtes Rettungsprogramm” von 78 Mrd. Euro, unterstrich er.Die portugiesische Regierung wurde in den zähen Verhandlungen mit Athen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble häufig als Musterschüler für den in Europa verhängten Konsolidierungs- und Sanierungskurs präsentiert. Die Zahlen lassen sich auf den ersten Blick sehen. Nachdem das Haushaltsdefizit infolge der Krise 2010 fast 10 % erreicht hatte, beantragte die damalige Regierung des Sozialisten José Socrates im Frühjahr 2011 den Rettungsschirm. Bei den folgenden Neuwahlen siegte die konservative PSD von Passos Coelho und bildete eine Koalition mit der rechten CDS. Nach harten Einschnitten bei Ausgaben, Steuererhöhungen und Strukturreformen sank das Defizit 2014 auf 4,5 % und könnte dieses Jahr unter die 3-Prozent-Marke fallen. Das BIP stieg im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,5 %. Vertrauenstest BES-VerkaufDer Rettungsschirm lief im Mai 2014 aus, und Passos Coelho verzichtete entgegen den Empfehlungen einiger europäischer Politiker und Experten auf eine Verlängerung. Das hätte sich kurz darauf beinahe gerächt, als mit Banco Espírito Santo (BES) die größte Privatbank des Landes wegen haarsträubender und womöglich krimineller Verfehlungen der gleichnamigen Eigentümerfamilie in die Pleite ging. BES wurde in eine Bad Bank und Novo Banco umgewandelt, die für 4,9 Mrd. Euro vom Staat gerettet wurde. Die Reprivatisierung von Novo Banco steht nun unmittelbar bevor, und der Erfolg gilt als Gradmesser für das Vertrauen ins Land.Von ursprünglich 15 Kandidaten sind drei Bewerber in der Endausscheidung, der US-Finanzinvestor Apollo sowie Fosun und Anbang aus China. In den nächsten Tagen soll der Sieger bekannt gegeben werden. Entscheidend dürfte dabei sein, dass der Kaufpreis die 4,9 Mrd. Euro für den Bankenrettungsfonds, an dem auch die übrigen Banken beteiligt sind, wieder reinholt. Obwohl einige Experten, wie die Ratingagentur Moody’s, vor der Schwäche des portugiesischen Finanzsystems warnen, war das Interesse ausländischer Anleger zuletzt enorm. So übernahm Fosun bereits den größten Versicherer des Landes, Fidelidade, während Apollo den Konkurrenten Tranquilidade kaufte. Die Regierung profitierte von dem Appetit der Anleger und erzielte mit der Privatisierung mehrerer Staatsfirmen einen Erlös von insgesamt 9,3 Mrd. Euro.Die Entwicklung am Arbeitsmarkt zeigt ein geteiltes Bild. Die Arbeitslosenquote erreichte Anfang 2013 17,5 %, ehe sie wieder auf 13,7 % im ersten Quartal 2015 zurückging. Das Land zählt heute 300 000 Erwerbstätige weniger als vor dem Rettungsschirm, was zum guten Teil auf die Auswanderung zurückgeht. Die Achillesferse der portugiesischen Wirtschaft bleibt die Staatsverschuldung von 130 % und die ebenfalls hohen Verbindlichkeiten im privaten Bereich. Die Zinsen für Staatsanleihen sind stark gefallen, doch die Krise um Griechenland hatte zuletzt für Ausschläge nach oben gesorgt. Die Regierung versichert, dass der Finanzierungsbedarf bis Anfang 2016 gesichert ist.Wie in anderen Krisenländern hat die Sparpolitik auch in Portugal zahlreiche Proteste gegen die ungeliebte Troika hervorgerufen. Doch im Gegensatz zu Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien kann in Portugal keine radikale Partei von dem Frust über die verschlechterten Lebensverhältnisse profitieren. Der Glaube der Menschen an das System wurde vom portugiesischen Verfassungsgericht aufrechterhalten, das mehrfach Kürzungen im Haushaltsplan verbot und die Regierung zu Nachbesserungen zwang.Griechenland hat den Vorwahlkampf in Portugal geprägt. Der Kandidat der Sozialisten (PS), António Costa, verlangt ein Ende der Austerität. “Das Nein der Griechen im Referendum ist der Moment, um die Krise in der Eurozone auf andere Weise anzugehen, mit mehr Respekt für die Würde und Gleichheit aller Mitgliedstaaten”, erklärte Costa letzte Woche. Allerdings hat der Sozialistenführer Abstand genommen von der Idee einer umfangreichen Umstrukturierung der Staatsschulden, die in den Reihen seiner Partei intensiv diskutiert wurde. Koalition hält nun zusammenIn den Umfragen liegt die PS mit 36 % leicht vor dem Regierungslager (34 %). Nachdem die Koalition vor zwei Jahren wegen Krach über den Konsolidierungskurs fast auseinandergebrochen wäre, treten PSD und CDS jetzt sogar mit einer gemeinsamen Liste an. Keine der beiden Seiten hat derzeit eine absolute Mehrheit in Aussicht, so dass den Kommunisten (in den Umfragen bei 10 %) oder dem linken Block BE (4,8 %) eine Rolle zukommen könnte.Passos Coelho sieht seine Politik durch den Ausgang der Verhandlungen mit Griechenland bestätigt. Sein Vize Paulo Portas von der CDS verspricht den Portugiesen nach dem Ende des Rettungsschirms bessere Zeiten: “Wenn es nach uns geht, wird sich die Geschichte nicht wiederholen.”