Grillos Grillen

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 15.11.2016 Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erfreut Italiens Komiker und derzeit erfolgreichsten Politiker Beppe Grillo. Am Wochenende, als der 68-jährige Komödiant in Brüssel gegen die...

Grillos Grillen

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandDie Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erfreut Italiens Komiker und derzeit erfolgreichsten Politiker Beppe Grillo. Am Wochenende, als der 68-jährige Komödiant in Brüssel gegen die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft demonstrierte, erklärte er in verschiedenen Interviews seine Position. Grillos Ambitionen, mit der von ihm gegründeten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) an die Regierung zu kommen, sind durch Trumps Sieg gestiegen. Ob er selbst Regierungschef werden möchte, steht in den Sternen. Für Italien würde eine Machtergreifung der “Grillini” zwar keinen Austritt aus der EU, keinen Italexit, bedeuten. Doch der Euro soll mittels eines Referendums abgeschafft und der Fiskalpakt aufgekündigt werden.Auch wenn er Parallelen zu Trump sehe, sei dieser nicht der wahre Revolutionär. Zwar habe er eine Kluft aufgerissen – zwischen dem sogenannten Establishment und der Welt der Antipolitik – und damit den USA einen Denkzettel erteilt. “Was für ein außerordentlicher Fuck-off Day”, erfreute sich Grillo. Doch nicht Trump, sondern er und seine Wähler seien das wahre Neue in der Weltpolitik. Zwar hat der Kabarettist klare Vorstellungen, etwa dass nicht Reformen, sondern nur eine expansive Finanzpolitik die Wirtschaft belebt, dass ein Ausscheren aus der EU-Währung “nur Vorteile” für Italien bringen würde. Doch was die zukünftige Führung in der Fünf-Sterne-Politik betrifft, äußerte er sich eher ambivalent. Überraschend hat er dem von ihm noch vor wenigen Monaten hochgelobten Direktorium jegliche Entscheidungskraft abgesprochen: Ein offizielles Addio an den Fünf-Mann-Vorstand der Protestbewegung, Luigi Di Maio, Roberto Fico, Carlo Sibilia, Carla Ruocco und Alessandro Di Battista. Grillo meinte denn auch, bei der Bewegung entscheide nicht das Direktorium, sondern das Web-Volk. Er selbst habe nur “zwischendurch” die Führung übernommen. Nicht klar ist, ob sich der Kabarettist als künftiger Ministerpräsident des Landes sieht.Grillo ist nicht nur wegen seiner verbalen Aggressionen, sondern auch wegen seiner zahlreichen Schnitzer bekannt. So bestand er am Wochenende darauf, dass der Vatikan endlich Miete an die Stadt Rom für das Vatikan-Museum bezahlen müsse. Er vergaß dabei, dass sich die Vatikanischen Museen nicht im Besitz der Stadt Rom, sondern des Vatikanstaats befinden. Ähnlich ambivalent äußerte er sich zu der von der Regierung unter Matteo Renzi geplanten Verfassungsreform. Es gebe auch positive Punkte, doch er lehne sie ab. Kurzum, Grillo verhält sich wie ein Komiker am Ende seiner Karriere. “Ich bin und bleibe Komödiant”, meinte er denn auch mit gewisser Selbstironie.Grillo plädiert für die Stärkung des Nationalstaates. Damit kommt er in Italien gut an. Flankiert wird er bei seinen Wünschen nicht nur von der einst separatistischen Lega Nord, sondern auch von der radikalen Rechten. Zusammen kommen die drei Parteien laut den jüngsten Meinungsumfragen auf bis zu 50 % Zustimmung. Das Zünglein an der Waage bildet Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia. Berlusconi ist zwar gegen die Verfassungsreform, aber “noch” für Europa. Grillos Wahlspruch lautet “entscheidet mit dem Instinkt”, nicht so sehr mit dem Kopf. Das ist Populismus pur. Und damit punktet er. “Ich selbst bin ein emotionaler Mensch. Mit diesen von Gefühlsblindheit betroffenen Politikern kann ich nicht diskutieren.” Das ist angeblich der Grund, weshalb er vor dem von Regierungschef Renzi geforderten TV-Duell kneift.Fraglich ist, ob bei dem für 4. Dezember angesetzten Referendum Kopf oder Bauch siegt. Der Ausgang ist mehr als unsicher. Sollte Renzi verlieren, ist sein Rücktritt nicht auszuschließen – ebenso wenig wie eine Koalition mit Berlusconis Forza Italia, sollte Staatspräsident Sergio Mattarella Renzi erneut mit der Regierungsbildung betrauen. Und die Grillini würden weiter ihren Protest zirpen. ——–Beppe Grillo kokettiert nach Trumps Wahlsieg mit der Macht. Er sei der wahre Revolutionär.——-