Groko kann kommen

Parteispitzen einigen sich auf Sondierungspapier - Keine Abgeltungsteuer auf Zinserträge mehr

Groko kann kommen

Der Weg für die Neuauflage einer großen Koalition ist frei. Nach einer Marathon-Sitzung in der Nacht auf Freitag haben sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD auf eine Reihe von Vorhaben verständigt. Kritikern fehlten allerdings klare Visionen und konkrete Reformen.ba/wf Berlin – Die Sondierungsgespräche von CDU/CSU und SPD sind von Erfolg gekrönt. In der Nacht auf Freitag haben sich die Sondierungsgruppen der Parteien auf Grundsatzbeschlüsse zu einer möglichen großen Koalition – Groko – geeinigt. Der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen muss ein SPD-Sonderparteitag am 21. Januar zustimmen. Der Parteivorstand der Sozialdemokraten billigte am Freitag mit sechs Gegenstimmen dafür eine Beschlussvorlage. Demnach soll der Parteivorstand eine Verhandlungskommission einsetzen dürfen, die auf der Basis der Sondierungsergebnisse und des SPD-Wahlprogramms Koalitionsverhandlungen führt. Am Ende müssen noch die SPD-Parteimitglieder das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen gutheißen. Die Unionsgremien haben das 28-seitige Sondierungspapier bereits einstimmig gebilligt. Von Seiten der Wirtschaft, Ökonomen und Digitalverbänden kam bereits teils scharfer Gegenwind. Soli schrittweise abschaffenZu den zentralen Ergebnissen zählt, dass der Solidaritätszuschlag schrittweise abgebaut werden soll. In dieser Wahlperiode solle “mit einem deutlichen Schritt begonnen werden”, durch den rund 90 % der Soli-Zahler durch eine Freigrenze vollständig vom Soli entlastet werden, wie es in dem Papier heißt. Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge soll abgeschafft werden, wenn der automatische Informationsaustausch etabliert ist. An der Einführung einer Finanztransaktionssteuer soll festgehalten werden. Einig sind sich die potenziellen Koalitionäre auch, am Ziel der “schwarzen Null” im Bundeshaushalt festzuhalten. Wären die Wünsche aller drei Parteien festgezurrt worden, wäre eine Summe von fast 100 Mrd. Euro nötig gewesen – nun soll der finanzielle Spielraum von bis zu 45 Mrd. Euro nahezu eingehalten werden. Im Gegensatz zu den Jamaika-Überlegungen komme dieser Betrag aber ohne den anvisierten Verkauf von Bundesanteilen an Deutscher Post und der Telekom aus.Europa als ersten Punkt in der Groko-Vereinbarung aufzuführen, sei ein wichtiges Signal für die europäischen Partner, vor allem für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, urteilte Lüder Gerken vom cep. Beim Umbau des ESM in einen Europäischen Währungsfonds müsse aber darauf geachtet werden, “dass Deutschland sein Vetorecht behält, so dass das Budgetrecht des Bundestages nicht ausgehebelt wird”. Zudem würde die Vorabfestlegung der Sondierer auf höhere Beiträge zum künftigen Haushalt der EU “unnötig die deutsche Verhandlungsposition schwächen und Druck auf die EU-Organe verhindern, den künftigen Haushalt von Ausgaben zu befreien, die keinen europäischen Mehrwert haben”, betonte Gerken.Bundesbankpräsident Jens Weidmann forderte Union und SPD auf, in Koalitionsverhandlungen das Thema Wachstum nicht außer Acht zu lassen. Da die Wachstumsaussichten vor allem von der demografischen Entwicklung getrübt würden, sei es umso wichtiger, Rahmenbedingungen für mehr Wachstum zu schaffen, sagte Weidmann am Freitag anlässlich der Verleihung des Freiheitspreises der Medien laut Redetext. Es solle “nicht nur über die Verteilung des vorhandenen Kuchens, sondern auch über die Vergrößerung desselben gesprochen werden”, sagte er.Für Carsten Brzeski, Chefökonom der ING-DiBa, wurde für die Wirtschaft kein Durchbruch erzielt – strukturelle Reformen, die das Wachstum ankurbeln könnten, seien nur schwer zu finden. Ideen, Konzepte und Mut bei den Themen Digitalisierung und Start-ups vermisst Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Start-ups. Die Digitalisierung sei zum Randthema verkommen, beklagt auch Bitkom-Präsident Achim Berg. Der Deutsche Gewerkschaftsbund dagegen lobte die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus, die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung sowie die Beschlüsse in den Bereichen Bildung und Pflege.