Groko sucht nach Beben neuen Halt

Union zu Gespräch mit neuer SPD-Spitze bereit - Aber keine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags

Groko sucht nach Beben neuen Halt

Nach dem politischen Beben, das am Wochenende vom Mitgliederentscheid der SPD über die neue Parteispitze ausgegangen ist, sind die Vertreter der großen Koalition bemüht, neuen Halt zu finden. Die Union signalisiert Gesprächsbereitschaft, lehnt eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags aber ab.sp Berlin – Nach dem Beben in der SPD, das am Wochenende das ganze politische Berlin erschüttert hat, war man am Montag innerhalb der großen Koalition bemüht, die Positionen der Regierungsarbeit abzustecken, die mit dem Mitgliederentscheid für Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als neue SPD-Vorsitzende ins Rutschen geraten sind. Beide waren im innerparteilichen Wahlkampf gegen Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz und seine Mitstreiterin Klara Geywitz mit dem Versprechen angetreten, die Fortsetzung der Koalition von inhaltlichen Nachbesserungen abhängig zu machen. Dazu gehören nach bisherigen Äußerungen ein höherer Mindestlohn, ein schärferes Klimapaket und höhere Investitionen unter Aufgabe der schwarzen Null im Haushalt. Über die konkreten Forderungen an den Koalitionspartner soll ein am Freitag beginnender Bundesparteitag entscheiden.Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich am Montag offen für Gespräche mit der künftigen SPD-Spitze, lehnte aber ein Neuverhandeln des Koalitionsvertrags ab. Die Kanzlerin sei grundsätzlich zur Zusammenarbeit und zum Gespräch bereit, “wie es in einer Koalition üblich ist”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags stehe aber nicht an. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ließ ebenfalls die Möglichkeit von Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags in Einzelpunkten offen, indem sie nur eine vollständige Revision ausschloss. Dass bei einer Regierungspartei ein Führungswechsel stattfinde, gehöre aber “nicht zu den schwerwiegenden Fällen, aus denen heraus man eine Koalition komplett neu verhandeln muss”, sagte Kramp-Karrenbauer im ZDF.Auch in der SPD war man trotz des völlig überraschenden Ausgangs des Mitgliederentscheids erkennbar um Kontinuität bemüht. “Ich glaube, wir sollten etwas runterkochen und wir sollten einfach zur Kenntnis nehmen, die Partei hat eine neue Führung gewählt, das ist der Punkt”, sagte die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer ebenfalls im ZDF. “Und natürlich wird sie auch ihre Akzente setzen bei der Frage, wie geht es weiter mit der großen Koalition.” Darüber werde man beim Parteitag diskutieren. Kahrs wirbt für KoalitionSPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs, Chef des pragmatischen Seeheimer Kreises, sprach sich für einen Verbleib in der Koalition aus und warnte seine Partei davor, Erfolge wie die Grundrente zu gefährden. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk wies er darauf hin, dass die SPD mit Gegenforderungen rechnen müsse, wenn sie einzelne Punkte im Koalitionsvertrag nachverhandeln wolle. “Wenn wir Wünsche haben, wird die Union auch welche haben.”Die Ministerpräsidenten der SPD-geführten Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern – Stephan Weil, Malu Dreyer und Manuela Schwesig – waren nach Angaben aus der SPD am Montag bemüht, den künftigen Vorsitzenden Vorschläge für ein ausgewogenes Personaltableau zu präsentieren. Im Gespräch war demnach auch, die Zahl der Stellvertreterposten nicht auf drei, sondern auf vier zu reduzieren. Bisher gibt es sechs Stellvertreter.Neben Kramp-Karrenbauer ließen auch andere führende Unionspolitiker die Möglichkeit von Gesprächen mit der SPD über neue Projekte offen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete es in der ARD schon am Sonntagabend als normal, dass auch in der Mitte der Wahlperiode neue Ziele abgesteckt würden. “Wenn aktuelle Entwicklungen eintreten, muss man darauf reagieren.” Über diese Fragen werde natürlich gesprochen. “Aber es ist doch etwas anderes als zu sagen: Wir verhandeln den Koalitionsvertrag neu.”CSU-Chef Markus Söder nannte es selbstverständlich, dass man miteinander rede. Aber: “Bloß weil ein Parteivorsitzender wechselt, verhandelt man keinen Koalitionsvertrag neu”, sagte der bayerische Ministerpräsident am Sonntagabend im ZDF. Schon gar nicht würden Forderungen diskutiert, “die rein ideologisch motiviert sind und die dazu dienen, einen Wahlkampf abzufedern”.”Wir haben einen gültigen Koalitionsvertrag, und Nachverhandlungen sehe ich nicht”, sagte der Vize-CDU-Chef Volker Bouffier den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag.Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann lehnte insbesondere ein Abgehen von der schwarzen Null im Haushalt strikt ab: “Da werden wir beinhart bleiben. Da machen wir nicht mit”, sagte er im “Bild”-Talk. Ähnlich äußerte sich CDU-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg: “Wir werden darüber nicht verhandeln. Punkt”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warnte die designierte SPD-Spitze vor dem Versuch, in der Koalition eine Orientierung ins politisch linke Spektrum zu versuchen. “Eine Verschiebung der Koalition nach links kommt für uns nicht in Frage”, sagte Brinkhaus der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) plädierte im Fall eines Koalitionsbruchs für eine Minderheitsregierung. “Der Bundeshaushalt ist beschlossen, eine Minderheitsregierung könnte im Jahr 2020 regieren”, sagte Merz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.Die Grünen forderten die SPD auf, schnell klarzustellen, ob sie die Koalition fortsetzen wolle. Die FDP rief die Union zu Standhaftigkeit angesichts der SPD-Forderungen nach Nachverhandlungen auf.