Großaufträge beflügeln deutsche Industrie

Neubestellungen wachsen unerwartet so stark wie zuletzt Mitte 2014 - Auslandsnachfrage steigt kräftig

Großaufträge beflügeln deutsche Industrie

ba Frankfurt – Die deutsche Industrie hat einen überraschend guten Jahresstart hingelegt. Vor allem dank überproportional ausgefallener Großaufträge aus dem Ausland hat das verarbeitende Gewerbe im Januar so viele Neubestellungen eingesammelt wie zuletzt vor fünfeinhalb Jahren. Sowohl Ökonomen als auch das Bundeswirtschaftsministerium werten dies auch als Gegenbewegung zu den feiertagsbedingt schwach ausgefallenen Dezember-Daten, die sich in den entsprechenden Komponenten etwa des Einkaufsmanagerindex sowie anderer Stimmungsindikatoren bereits angedeutet hat. Sie mahnen allerdings auch, dass der Coronavirus-Ausbruch die Industrie nicht nur wegen unterbrochener Lieferketten stark belasten wird – erste Spuren davon dürften sich in den Februar-Zahlen finden. Auch gesamtwirtschaftlich wird sich die Coronavirus-Epidemie niederschlagen: Ökonomen rechnen mit einem zumindest leichten Schrumpfen der Wirtschaftsleistung bereits im ersten, aber auch im zweiten Quartal.Die Ökonomen der Helaba etwa haben am Freitag wegen der negativen Effekte der Coronavirus-Epidemie auf die Weltwirtschaft durch die Unterbrechung der Lieferketten ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone im laufenden Jahr gesenkt. Für Deutschland wird nun ein kalenderbereinigtes Wachstum von 0,6 % erwartet, zuvor waren es +1,0 %. Das italienische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird mit 0,2 (zuvor: 0,8) % prognostiziert, in Frankreich sollen es nun 1,0 statt der bisher geschätzten 1,5 % werden. Spanien bleibe mit einem Plus von 1,6 (1,8) % Wachstumsspitzenreiter unter den vier größten Euro-Volkswirtschaften, hieß es bei der Helaba. Großaufträge entscheidendVorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge sammelte die deutsche Industrie im Januar im Monatsvergleich kalender- und saisonbereinigt 5,5 % mehr Bestellungen ein. Ein kräftigeres Auftragsplus hatte es zuletzt im Juli 2014 mit 6,7 % gegeben. Ökonomen hatten nach dem Auftragsrückgang im Dezember von 2,1 % zwar mit einem Anstieg gerechnet, allerdings nur ein Plus von 1,5 % erwartet.”Der Anstieg ist insbesondere im Luft- und Raumfahrzeugbau und im Maschinenbau auf Großaufträge zurückzuführen”, erklärten die Wiesbadener Statistiker zu den am Freitag veröffentlichten Zahlen. Andreas Scheuerle von der DekaBank erinnert daran, dass Maschinenaufträge laut Destatis im Dezember zu spät gemeldet worden waren, es aber zu keiner Revision gekommen sei. Er ist daher davon überzeugt, dass diese im Januar verbucht wurden und die Daten von Januar daher über- und die vom Dezember unterzeichnet seien.Aber auch ohne Berücksichtigung von Großaufträgen wären 2,3 % mehr Aufträge als im Vormonat eingesammelt worden. Dies ist Destatis zufolge “auf eine gute allgemeine Auftragslage in vielen Wirtschaftszweigen” zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium konstatiert eine Stabilisierung der Bestellungen in den vergangenen Monaten. Da sich auch die Geschäftserwartungen nun fünfmal in Folge aufgehellt haben, dürfte die Industriekonjunktur “insoweit vor ihrem Wendepunkt stehen”. Stimmung hat gedrehtCommerzbank-Ökonom Ralph Solveen sieht die Zahlen im Einklang mit den Stimmungsindikatoren, “die in den vergangenen Monaten ein Wendesignal gegeben haben”. So sei im Januar “zum ersten Mal seit längerer Zeit” der auf Basis der Neubestellungen errechnete Trend für die Industrieproduktion wieder spürbar gestiegen: “Die am Montag anstehenden Zahlen zur Produktion dürften deshalb auch ein sehr deutliches Plus aufweisen.” Ökonomen erwarten im Mittel einen Anstieg der Industrieproduktion von 1,9 % für Januar nach einem Rückgang um 3,5 % im Dezember. Gestützt wird die Erwartung Solveens von den ebenfalls am Freitag veröffentlichten Umsatzdaten. Laut Statistischem Bundesamt ist der reale Umsatz im verarbeitenden Gewerbe im Januar saison- und kalenderbereinigt um 2,0 % gestiegen. Zudem ist das Minus im Dezember nicht ganz so kräftig wie zunächst gemeldet ausgefallen: Statt eines Rückgangs um 1,3 % meldet Destatis nun -0,7 % im Monatsvergleich.Besonders erfreulich für die Industrie, die seit langem bereits unter dem US-chinesischem Handelskonflikt und den Brexit-Turbulenzen leidet, ist der Orderzuwachs bei den konjunkturell aussagekräftigen Investitionsgütern (+7,1 %). In den vergangenen drei Monaten kam es hier allerdings auch zu den kräftigsten Rückgängen – im Dezember waren es -4,1 %. Hersteller von Vorleistungs- und Konsumgütern sammelten 3,5 % und 2,9 % mehr Neubestellungen ein als im Dezember.Insbesondere aus den Ländern des Euroraums kletterte die Nachfrage (+15,1 %), allerdings war hier der Rückgang im Dezember mit 14,0 % besonders ausgeprägt. Aus dem restlichen Ausland gingen 7,8 % mehr Bestellungen ein, so dass die Auslandsaufträge insgesamt um 10,5 % zulegten. Aus dem Inland hingegen ging die Orderzahl um 1,3 % zurück.