KLIMAPOLITIK IM FOKUS

Große Baustellen vor Klimagipfel

Weltgemeinschaft verfehlt Pariser Ziele - Wirtschaftskonflikte belasten bei Suche nach globalen Lösungen

Große Baustellen vor Klimagipfel

Die Weltgemeinschaft wird ihre Klimaziele für 2020 nicht erreichen. Auch für 2030 sieht es eng aus. Dennoch sind Politik und Wirtschaft optimistisch, das Blatt zu wenden – vorausgesetzt, man findet bei der Bepreisung für CO2 zusammen. Eine kollektive Lösung wäre nötig, ist derzeit aber nicht absehbar. Von Philip Brändlein, FrankfurtWenn UN-Generalsekretär António Guterres am 23. September den UN-Klimagipfel eröffnet, wird allen klar sein, dass weder Deutschland noch die EU noch der Rest der Welt die Pariser Klimaziele für 2020 erreichen wird. Ähnlich sehen die Prognosen für 2030 aus. Etwas optimistischer geben sich die Staaten für 2050. Dann soll die Welt laut Pariser Abkommen emissionsneutral sein. Einigung nicht in SichtFür den Klimagipfel in New York sind die Beteiligten allerdings skeptisch, dass neue Vereinbarungen getroffen werden. Zu groß ist der Unwillen der USA. Zusätzlich belastet werden die Verhandlungen über das Klima durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China. Zudem ist man sich uneins, wie man effektive Anreize setzen kann, um den Ausstoß von Treibhausgasen global zu reduzieren. Die EU sieht die Lösung in einem zunächst europäischen, später globalen Emissionshandel. Entscheidend wird sein, dass die drei größten Treibhausgas-Emittenten gemeinsam an einem Strang ziehen: die USA, China und Europa – Allerdings sind die USA nicht mehr Teil des Pariser Abkommens. Derweil hatte der viertgrößte Emittent von Treibhausgasen, Russland, signalisiert, das Pariser Abkommen demnächst unterzeichnen zu wollen.Dass die Klimapolitik aktuell in aller Munde ist, dafür hat Greta Thunberg, die Galionsfigur der weltweiten Klimaaktivisten, gesorgt. Sie wird nach ihrer Atlantiküberfahrt mit dem Segelschiff ebenso beim Gipfel in New York zugegen sein wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Kurz vor dem Klimagipfel will sich die Bundesregierung am 20. September auf ein neues Klimaschutzgesetz geeinigt haben. Deutschland gilt über die Grenzen hinweg als Vorreiter in einer zukunftsfähigen Klimapolitik, hinkt aber den eigenen und europäischen Vorgaben hinterher – zwischen Versprechen und Umsetzung liegt auch in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt ein gutes Stück. Dennoch hätte ein neuer Beschluss Signalwirkung.Die Bundesregierung setzt alles daran, die Klimaziele des Pariser Abkommens für 2030 und 2050 zu erreichen. Demnach soll der Treibhausgas-Ausstoß gegenüber 1990 zunächst um 55 % und schließlich um bis zu 95 % reduziert werden. 2018 hatte Deutschland laut Umweltbundesamt den Treibhausgas-Ausstoß um 30,8 % (4,5 % im Vergleich zum Vorjahr) gesenkt und rechnet bis 2020 mit einem Rückgang um 32 %. Deutschland hat sich jedoch gegenüber der EU dazu verpflichtet, die Emissionen bis 2020 um 40 % zurückzufahren, und wird diese Vorgabe verfehlen. Experten rechnen im Schnitt mit einer Reduktion um 38 % bis 2030. In Berlin sind sich die Koalitionspartner einig, dass CO2-Emissionen effizient bepreist werden müssen. Während die CO2-Steuer schnelle Ergebnisse verspricht, erhofft man sich vom Emissionshandel mittelfristig eine gemeinsame europäische und markteffiziente Bepreisung der Treibhausgasemissionen. Aktuell deutet vieles auf eine Hybridlösung hin. Flankiert werden soll die CO2-Bepreisung von Förderprogrammen unter anderem für die Wasserstoff-Forschung und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Rede war von 40 Mrd. Euro bis 2023. Hinzu kommen der geplante Kohleausstieg und neue Emissionsgrenzen für die Autoindustrie. Hoffnung auf EU-KommissionZiel der Klimakonferenz wird die Überprüfung und Überarbeitung der im Pariser Abkommen gesetzten Ziele sein, die globale Erderwärmung im aktuellen Jahrhundert zwischen 1,5 und 2 Grad Celsius zu halten. Dafür müssten alle Industriestaaten wie die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 95 % im Vergleich zu 1990 verringern, bis 2030 sollen zumindest 40 % erreicht werden. Dass kollektive Maßnahmen dringend erforderlich sind, zeigen auch die Ausstöße der gesamten EU, deren Emissionen bis 2020 um 33 % zurückgegangen sind. Sie hat ihr Ziel also frühzeitig erreicht – es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass es viel zu niedrig angesetzt war. Als Konsequenz stiegen die Emissionen 2017 sogar um 0,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Weltweit ist der Ausstoß von Treibhausgasen derzeit so hoch wie nie. Europa ist für knapp 9 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, Deutschland als größter Emittent der EU für knapp 2 %. China, die USA und die EU sind zusammen für über die Hälfte der weltweiten Emissionen verantwortlich. Europa hofft nun auf die neue EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen. Sie hat angekündigt, die Europäische Investmentbank bis 2050 in eine europäische Klimabank transformieren und die Summe von 1 Bill. Euro in nachhaltige Unternehmungen stecken zu wollen. Außerdem soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden. Neben der neuen Kommissionspräsidentin gelten vor allem die Vizepräsidenten Frans Timmermans und Margrethe Vestager als Hoffnungsträger der europäischen Klimapolitik.Die Zeit bis 2050 ist absehbar. Mittelfristig wird es darum gehen, den krankenden Zertifikatepreis auf ein angemessenes Niveau zu hieven. Aktuell liegt der Preis für europäische Emissionszertifikate bei circa 25 Euro je Tonne CO2, während Experten von einem fairen Preis zwischen 130 und 180 Euro ausgehen. Langfristig sollte das Ziel sein, mit dem größten Emissionszertifikatemarkt in China ein Abkommen zu treffen, um so Druck auf die unter Präsident Donald Trump wenig klimafreundliche USA zu erzeugen, an einem solchen System mitzuwirken.Nach bislang kleinen Schritten wäre ein funktionierendes Emissionsabkommen ein großer Schritt, um die Ziele womöglich doch noch zu erreichen. In New York ist dieser nicht zu erwarten. Die nächste Chance winkt ab dem 2. Dezember, wenn sich die UN zur Weltklimakonferenz in Santiago de Chile trifft.