Große Zufriedenheit mit Europas Krisenreaktion
ahe/sp Brüssel/Berlin – Führende Haushaltspolitiker und Vertreter der Finanzinstitutionen in Europa haben den EU-Hilfspaketen im Kampf gegen die Coronakrise ein gutes Zeugnis ausgestellt. Auch die Finanzmärkte blickten heute positiver auf die EU als noch vor einigen Jahren, berichtete der Chef des Eurorettungsfonds ESM, Klaus Regling, auf einer interparlamentarischen Videokonferenz über Stabilität, wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung in der EU. Die Märkte seien beeindruckt gewesen von der Geschwindigkeit, mit der die EU-Politik ihre Hilfsprogramme beschlossen habe, und auch von deren Volumen.Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) verwies auf der Konferenz insbesondere auf den 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds. Dass die Hilfen wirkten, sehe man schon daran, dass kein europäisches Land in der aktuellen Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten sei, sagte er. “Nie da gewesene Reaktion””Was die fiskalische Seite angeht, hat Europa richtig reagiert”, sagte Scholz und warb dafür, den eingeschlagenen Kurs weiterzuverfolgen. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis betonte, mit dem geplanten Finanzpaket, zu dem auch der nächste mittelfristige Haushaltsrahmen zähle, habe die Union auf die Covid-19-Krise eine “nie da gewesene Reaktion” gezeigt. Jetzt müssten aber auch die Verhandlungen zu dem Paket zwischen Rat und Parlament schnell abgeschlossen werden. Die EU-Kommission plane, in den ersten Monaten 2021 das hiefür nötige Geld an den Märkten aufzunehmen.Lob für den Wiederaufbaufonds kam auch von Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), die ebenfalls eine rasche Umsetzung forderte. Die Mittel müssten zudem in die “produktivsten und nachhaltigsten Projekte” gelenkt werden.Gleichzeitig meldete Schnabel Vorbehalte dagegen an, im Zuge der Pandemie von einer “neuen Partnerschaft” von Geld- und Fiskalpolitik zu sprechen. “Eine Partnerschaft impliziert ein Maß an Abstimmung, das mit einer unabhängigen Zentralbank nicht konsistent ist”, hob sie hervor. In einer Umgebung mit niedrigen Zinsen gebe es aber “starke Komplementaritäten” zwischen Geld- und Fiskalpolitik, die helfen könnten, die Eurozone aus einer Situation zu befreien, die durch eine niedrige Inflation und ein niedriges Wachstum bestimmt sei. Der Nutzen fiskalpolitischer Maßnahmen sei umso größer, je niedriger der Nominalzins stehe, führte Schnabel aus. Auf der einen Seite, weil anhaltend niedrige Zinsen die Fiskalpolitik effektiver machen. Auf der anderen Seite, weil entschiedenes fiskalpolitisches Handeln die Effektivität der Geldpolitik erhöhe, insbesondere bei divergierenden Entwicklungen innerhalb der Eurozone. Reform des StabilitätspaktesIn der Debatte um die weitere Aussetzung der europäischen Haushaltsregeln schloss EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni eine Verlängerung bis ins Jahr 2022 hinein nicht aus. Die Ankündigung der Kommission, dass die allgemeine Fluchtklausel auch im kommenden Jahr noch gelte, bedeute nicht, dass die Budgetregeln am 31.12.2021 wieder in Kraft gesetzt würden, sagte Gentiloni auf der Konferenz. Vielleicht müssten die derzeitigen Ausnahmen auch im Jahr 2022 noch gelten.Regling äußerte sich ähnlich. Er verwies darauf, dass es über die Aussetzung der Haushaltsregeln im Jahr 2021 bereits weitgehend Konsens in der Eurogruppe gebe. Ob dies auch 2022 noch nötig sei, müsse man noch sehen. Der ESM-Chef sagte, die EU-Mitgliedstaaten müssten Klarheit über ihren fiskalischen Weg der nächsten zwei bis drei Jahre bekommen. Zeitgleich müsse aber auch an den Reformen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gearbeitet werden. Es sei klar, dass die stark gestiegenen Schuldenstände in den nächsten Jahren auch wieder abgebaut werden müssten.Auch Gentiloni sprach sich noch einmal für eine Vereinfachung der Regeln aus. Er lobte zugleich aber auch, die aktuellen Regeln hätten sich in der aktuellen Krise als ausreichend flexibel gezeigt. Finanzminister Scholz schloss sich dem an. Die europäischen Fiskalregeln seien für dieses Jahr ausgesetzt worden, sagte er. “Und das werden wir nächstes Jahr wieder sehen.”Die interparlamentarische Konferenz wurde als eine Reaktion auf die europäische Schuldenkrise 2012 eingerichtet. Sie soll einen Rahmen für Debatten sowie den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zur Umsetzung der Bestimmungen des Fiskalvertrages bieten. Die Konferenz tagt zweimal jährlich. – Wertberichtigt Seite 6