Größtes Tariflohnplus seit 2000
Die Tariflöhne in Deutschland werden trotz der mittlerweile spürbaren Konjunkturabkühlung auch 2019 deutlich zulegen. Auch nach Berücksichtigung der Inflation bleibt den Arbeitnehmern mehr im Geldbeutel als im Vorjahr. Das bedeutet Rückenwind für den privaten Konsum, eine der Wachstumsstützen.ba Frankfurt – Die Tariflöhne in Deutschland werden im laufenden Jahr nominal wohl so kräftig steigen wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr. Angesichts der immer noch niedrigen Inflation bleibt den Tarifbeschäftigten damit absehbar auch real etwas mehr im Geldbeutel. Dies ist eine gute Nachricht für die schwächelnde Konjunktur, denn an den Einkommensaussichten hängt die Konsumlaune der Verbraucher. Das bedeutet also Rückenwind für die Binnennachfrage, eine wichtige Wachstumsstütze. Zudem sollten steigende Löhne langfristig für ein Anziehen der Inflation sorgen – was die Sorgen der Europäischen Zentralbank wegen der weiter unter Ziel liegenden Teuerung mindern sollte.Gemäß der Halbjahresbilanz des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergibt sich für 2019 ein durchschnittliches Plus von 3,2 %. Darin sind die im ersten Halbjahr 2019 abgeschlossenen Tarifverträge und die in den Vorjahren für 2019 bereits vereinbarten Tariferhöhungen enthalten. Im vergangenen Jahr waren die tariflich vereinbarten Löhne und Gehälter mit 3,0 % etwas weniger stark gestiegen (siehe Grafik). Bei einem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise von 1,6 % im ersten Halbjahr ergibt sich für 2019 ein Reallohnzuwachs von 1,6 %. Schwung für die Konjunktur”Insgesamt bestätigen die Tarifabschlüsse im ersten Halbjahr den Trend des Vorjahres zu deutlich höheren Lohnzuwächsen”, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten: “Damit leisten die Tariflöhne einen wichtigen Beitrag dafür, dass durch eine starke Binnennachfrage einer sich abkühlenden Konjunktur entgegengewirkt wird.”Volkswirte waren bis vor einigen Wochen noch davon ausgegangen, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr wieder anziehen wird. Mittlerweile zeigt sich aber, dass die globalen Unsicherheitsfaktoren länger als erwartet anhalten: Im US-chinesischen Handelsstreit ist keine Lösung in Sicht, es drohen immer noch US-Sonderzölle auf EU-Autos, und unter dem neuen britischen Premierminister Boris Johnson wird ein No-Deal-Brexit immer wahrscheinlicher. Ökonomen erwarten daher, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal stagniert, wenn nicht gar leicht geschrumpft ist. Dies lässt sich einerseits aus den am Mittwoch veröffentlichten Zahlen von Eurostat zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum herauslesen (vgl. BZ vom 1. August). Andererseits lässt aber auch die anhaltende Schwäche der Industrie, die besonders stark unter dem Gegenwind der globalen Konjunktur leidet, bestenfalls ein mageres Wachstum erwarten. Eine erste Schätzung gibt es am 14. August.Über die höchsten Tarifzuwächse dürfen sich Mitarbeiter in den großen Tarifbranchen freuen. Laut WSI beträgt die jahresbezogene Tariferhöhung in der Metallindustrie 4,1 %, gefolgt von der Eisen- und Stahlindustrie mit 3,9 % und dem öffentlichen Dienst (Länder) mit 3,6 %. Unberücksichtigt sind allerdings noch die im Juli 2019 erzielten Tarifabschlüsse im Einzelhandel und im Bankgewerbe.Im ersten Halbjahr 2019 wurden von den DGB-Gewerkschaften für insgesamt etwa 3,3 Millionen Beschäftigte neue Tarifabschlüsse vereinbart, deren durchschnittliche Laufdauer bei 26,5 Monaten liegt. Im zweiten Halbjahr stehen Verhandlungen in der chemischen Industrie und im Versicherungsgewerbe an.