Streckbetrieb

Grüne tragen Scholz’ AKW-Machtwort mit

Die Grünen stellen sich hinter Bundeskanzler Scholz: Die drei Atommeiler werden bis Mitte April 2023 weiter betrieben. Einen Seitenhieb kann sich FDP-Chef Lindner aber nicht verkneifen – und die Opposition sieht einen Machtverfall der Ampel.

Grüne tragen Scholz’ AKW-Machtwort mit

Reuters Berlin

Das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum längeren Betrieb der drei deutschen Atomkraftwerke zeigt Wirkung. Nicht einmal einen Tag später brachten die Grünen-geführten Ministerien für Wirtschaft und Um­welt einen Gesetzentwurf auf den Weg. Die Spitzen der Grünen-Partei als auch der Bundestagsfraktion kündigten an, trotz Kritik die Scholz-Linie mitzutragen. Die Opposition sieht einen Machtverfall der Ampel.

Scholz sagte in Berlin, der Atomausstieg komme. Neue Brennstäbe würden nicht mehr beschafft. Mit der Inbetriebnahme der geplanten LNG-Terminals für Flüssiggas sowie der Nutzung von Kohle werde die Versorgungssicherheit auch nach dem Winter gewährleistet sein. Bis Mitte April werde jetzt nicht mehr geprüft, sondern so viel produziert, wie die drei Meiler hergeben würden – „direkt und ohne Umwege“. In dem Reuters vorliegenden Gesetzentwurf heißt es, insgesamt könnten die drei Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland im Jahr 2023 rund 5,4 Terawattstunden Strom erzeugen. Das entspricht in etwa dem Stromverbrauch Berlins in einem halben Jahr. Die Ministerien sollen bis Mittwoch den Entwurf zum Atomgesetz billigen.

Für die Grünen kündigte Co-Parteichefin Ricarda Lang an, hinter dem Kompromiss zu stehen. In der Sache bekräftigte sie aber die Kritik, dass das AKW im Emsland für die Netzstabilität nicht gebraucht werde. „Der Weiterbetrieb macht deshalb fachlich wenig Sinn.“ Dem widersprach FDP-Chef Christian Lindner in einem „Welt“-Interview: „Emsland wird bis April 1,7 Terawatt zusätzlichen Strom produzieren. Das sichert nicht nur die Netzstabilität, sondern ist auch ein ganz klares Preissignal.“ Scholz hatte den Streit von Grünen und FDP am Montag abrupt beendet. Er nutzte dabei erstmals seine Richtlinienkompetenz und ordnete an, die gesetzliche Grundlage für den Weiterbetrieb der drei Atommeiler bis zum 15. April 2023 zu schaffen.

Der Zwist innerhalb der Ampel hat Jürgen Trittin zufolge Spuren in der Koalition hinterlassen. „Wenn ge­troffene Verabredungen, zum wiederholten Male im Übrigen, seitens der FDP nicht eingehalten werden, der Bruch dieser Vereinbarungen dann vom Kanzler per Machtwort versucht wird durchzusetzen, dann sind die Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit in dieser Koalition einem extremen Stresstest ausgesetzt“, sagte der Grünen-Abgeordnete und frühere Umweltminister im Deutschlandfunk.

Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz sagte, die Koalition sei wohl nicht am Ende. Scholz habe aber seinen vorletzten Trumpf ausgespielt mit seinem Machtwort. Nun würde ihm nur noch eine Vertrauensabstimmung im Parlament bleiben. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nahm Scholz dagegen in Schutz. Er werde die Richtlinienkompetenz nicht inflationär nutzen.

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