Grundsteuerreform steht auf Messers Schneide
Früher als “Scholzomat” betitelt, müsste man Bundesfinanzminister Olaf Scholz mittlerweile eher als “Scholzonaut” bezeichnen. Abgehoben von der Welt schwebt er im Raum und ist nicht zu erreichen. Warnungen und Gegenvorschläge zu seinen Positionen werden gekonnt ignoriert. Ein besonders brisantes Beispiel ist die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Grundsteuerreform. Mit einem Volumen von mehr als 14 Mrd. Euro handelt es sich um die größte Steuerreform dieser Legislaturperiode. Seit anderthalb Jahren wird über die Reform diskutiert. Ebenso lange ignoriert Finanzminister Scholz die Kritik an seinen Vorschlägen.Während u. a. Industrieverband BDI, Ifo-Institut und wissenschaftlicher Dienst des Bundestags die Vorzüge eines auch von der FDP favorisierten sogenannten Flächenmodells für die Berechnung der Grundsteuer als bürokratiearm preisen, hat Scholz lieber an seinen komplizierten Berechnungen festgehalten. Dafür werden allerdings neben der problemlos abrufbaren Grundstücksfläche auch noch Bodenrichtwert, Immobilienart, Alter des Gebäudes und die Mietniveaustufe benötigt. Vor allem Miete und Bodenrichtwerte sorgen in angespannten Wohnungsmärkten für steigende Grundsteuern und somit auch für steigende Mieten, da die Grundsteuer – zumindest bislang – auf die Mieter umgelegt werden kann. Insgesamt ist das Gesetz so komplex, dass die bereits heute an ihrer Belastungsgrenze arbeitenden Finanzämter zwangsläufig überfordert werden. Zumal für die Grundsteuer jedes einzelne der mehr als 36 Millionen Grundstücke in Deutschland in den kommenden fünf Jahren neu bewertet werden muss.Die dafür notwendige Kontaktaufnahme mit den Eigentümern und weitere Verwaltungsschritte erfordern zusätzliches Personal. Auch neue EDV-Systeme werden notwendig. Die Deutsche Steuergewerkschaft schätzt, dass bis zu 3 000 neue Stellen in den Finanzämtern benötigt werden. Dabei könnte es so einfach sein, stünde die Regierung nur zu ihren eigenen Zielen beim Bürokratieabbau. Der Tsunami an zusätzlicher Arbeit führt stattdessen zu Lücken in anderen Bereichen. Sollte die Finanzbehörde ihre Kapazitäten nicht besser im Kampf gegen Steuerhinterziehung einsetzen? So werden Vollzugsdefizite geschaffen, für die wir am Ende alle die Zeche zahlen. Probleme bei der BewertungSelbst das Bundesfinanzministerium geht insgeheim von digitalen Umsetzungsproblemen bei Erfassung und Bewertung der Grundstücke aus. Von der Hängeregistratur zum digitalen All-inclusive-Paket ist es eben ein weiter Weg. Und das alles, ohne zu wissen, ob die letztlich verabschiedete Reform auch wirklich verfassungsfest ist. Für Beobachter steht fest, dass der Entwurf auf ganz dünnem Verfassungseis steht und daher Klagen programmiert sind. Dabei ist es keineswegs sicher, dass das Bundesverfassungsgericht in letzter Instanz für die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Gesetzes entscheidet. Die Folge wären Rückzahlungsforderungen an die Kommunen in Milliardenhöhe – ein Fiasko.Dabei haben erst unüberhörbare Kritik aus den Ländern und ein Machtwort der Kanzlerin überhaupt die Möglichkeit für einen Kompromiss eröffnet. So wird den Ländern mit der sogenannten Öffnungsklausel die Möglichkeit einer umfassenden Kompetenz zu einer eigenen Grundsteuergesetzgebung eingeräumt. Doch leider wird diese Möglichkeit direkt konterkariert. Die Länder, die eine einfache Reform anstreben, müssen für den Länderfinanzausgleich wieder das komplexe Scholz-Modell heranziehen. Durch diesen Schildbürgerstreich wäre also doppelter Aufwand vonnöten. Bürokratieabbau sieht anders aus.Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion muss es nun endlich Änderungen des Gesetzes geben, damit das Gesetzesvorhaben zustimmungsfähig wird. Zumindest die geforderte doppelte Berechnung des Grundsteueraufkommens für den Länderfinanzausgleich sollte verhindert werden, z. B., indem die Verteilungsquoten diesbezüglich auf dem jetzigen Stand eingefroren werden.Im Zuge der Reform werden außerdem Pläne von SPD und Grünen deutlich, die Umlagefähigkeit der Grundsteuer vom Eigentümer auf die Mieter abzuschaffen. Als fadenscheinige Begründung muss dabei im aktuellen Bundesratsantrag der Berliner rot-rot-grünen Landesregierung die Behauptung herhalten, dass die Eigentümer einer Immobilie viel stärker von der durch die Grundsteuer mitfinanzierten Infrastruktur vor Ort profitieren würden als die Mieter der Wohnungen oder Häuser. Dass diese Argumentation mächtig hinkt, wird schon durch die Tatsache deutlich, dass viele Immobilienbesitzer auch außerhalb des eigenen Wohnortes (für den sie bereits grundsteuerpflichtig sind) investieren. Auch das Märchen, dass Immobilieneigentümer Ausbeutung und prekäre Wohnsituationen begünstigen, kann nicht verfangen. Die meisten Vermieter sind Privatleute, die ihre für die Altersvorsorge teuer auf Kredit erworbene Eigentumswohnung vermieten. Lediglich etwa 13 % der Immobilien befinden sich in der Hand privatwirtschaftlicher Unternehmen. Öffentliche Hand und Genossenschaften verfügen über 20 % der deutschen Wohnungen.Die FDP bekennt sich zur Grundsteuer, zu deren Umlagefähigkeit und zum Aufkommen für die Kommunen. Dem Gesetz in seiner jetzigen Form können wir daher so nicht zustimmen. Deshalb sind die kommenden Wochen von besonderer Relevanz für den Erfolg der Reform. Union und die vernunftorientierten Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion müssen gemeinsam mit der Opposition bei den anstehenden Beratungen im Parlament Änderungen erreichen. Dann könnte der “Scholzonaut” auch weiterhin in Galaxien der Steuer- und Bürokratielandschaft vordringen, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Mit der Heimreise zur Erde kann er sich dann auch gern Zeit lassen. Markus Herbrand ist Bundestagsabgeordneter und für die FDP-Fraktion Berichterstatter für die Grundsteuer. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——-Von Markus HerbrandBei der Grundsteuernovelle muss wenigstens die doppelte Berechnung des Aufkommens für den Länderfinanzausgleich verhindert werden.——-