ALLES AUF GRÜN

Grüne sind in Südeuropa rar

In Italien, Spanien und Portugal spielen Ökoparteien kaum eine Rolle

Grüne sind in Südeuropa rar

Von Thilo Schäfer, Madrid und Gerhard Bläske, MailandKlimawandel und Umweltschutz standen in Spanien im Dezember ganz oben auf der Agenda. Anlässlich der Weltklimakonferenz, die wegen der Unruhen in Chile nach Madrid verlegt worden war, überschlugen sich die spanischen Medien mit Berichten über die zweiwöchige Großveranstaltung, einschließlich des Hypes um die Aktivistin Greta Thunberg. Das Klimabewusstsein ist im Lande durchaus vorhanden und der geschäftsführende sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez hat ehrgeizige Pläne. Doch eine starke grüne Partei, wie in Deutschland und anderswo in Europa, gibt es in Spanien nicht, ebenso wenig wie in Portugal, Italien oder Griechenland.Bei der letzten Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS landete die Umwelt in der Liste der für die Bürger wichtigen Themen auf Platz 21, hinter dem Zustand des Justizwesens oder der “Wertekrise”. “Ich glaube, dass im Süden der Rechts-links-Mechanismus noch stark dominiert und das Klima und grüne Themen eher bei der Linken angesiedelt sind. Vielleicht ändert sich das eines Tages”, sagt Miguel Otero, Analyst der Denkfabrik Real Instituto Elcano in Madrid.Lange Zeit spielten die diversen Ökoparteien in Spanien gar keine Rolle. 2011 entstand Equo mit dem langjährigen Greenpeace-Chef in Spanien, Juan López de Uralde, an der Spitze. Die Partei wurde bald in die Familie der europäischen Grünen aufgenommen. Sie schloss sich der Linkspartei Podemos an und erlangte über deren Liste ein paar Parlamentsmandate – unter anderem für Uralde. Doch merkte Equo bald, dass für Podemos andere Themen wichtiger sind, wie die soziale Gerechtigkeit.Equo – nicht jedoch Uralde – löste das Bündnis im Herbst auf und erlangte bei den Parlamentswahlen im November im Zusammenschluss mit Más País, einer Abspaltung von Podemos, drei Mandate mit 2,3 % der Stimmen. Die Tierschutzpartei Pacma kam auf knapp 1 %, ging bei der Sitzverteilung aber leer aus. Im benachbarten Portugal konnte die Tierschutzpartei Pan bei den Wahlen im Oktober um drei auf vier Mandate zulegen. Die portugiesischen Grünen treten ihrerseits traditionell gemeinsam mit den Kommunisten an. Luxusproblem UmweltschutzÄhnlich schwach sind Ökoparteien in Italien. Die italienischen Grünen, die einst Minister, Abgeordnete und Senatoren stellten, sind seit 2009 weder im Abgeordnetenhaus noch im Europaparlament vertreten. Bei den Europawahlen im Juni scheiterten sie mit 2,3 % an der 4-Prozent-Klausel. Nennenswerte Ergebnisse erzielen sie nur in Mailand sowie in Südtirol, wo sie bei den Wahlen zum Europaparlament auf 8,7 % kamen. Die Grünen in der autonomen Provinz sind sogar als vollwertige Mitglieder in die Europäische Grüne Partei aufgenommen worden – unabhängig von den italienischen Grünen.Gegründet wurden die Verdi bereits 1987. Zeitweise gab es zwei miteinander zerstrittene grüne Parteien. Später vereinigten sie sich und gingen meist Allianzen mit Linksparteien ein. Ihre beste Zeit hatten sie in den 1990er-Jahren: Damals stellten sie mit Francesco Rutelli sogar den Bürgermeister von Rom. Sie kamen aber national nie über 3,6 % (1999) hinaus.Es gibt eine Reihe von Gründen für die Schwäche der “Verdi”. “Umweltschutz wird in Italien als nachrangig angesehen, als Luxusproblem, das nach allem anderen kommt”, sagt Norbert Lantschner. Der Klimaexperte und Bozner Stadtrat war Spitzenkandidat der Federazione dei Verdi bei den EU-Wahlen im Wahlkreis Nordost. “In Italien fehlt es an Verantwortungsethik für die Umwelt, für das Gemeinwohl und alles Kollektive”, sagt der aktuelle Grünen-Chef Angelo Bonelli. Dass in Rom überall der Müll herumliegt, jedes zweite Haus im Süden illegal errichtet wird, Küsten und Flussläufe zubetoniert oder Stahlwerke wie das im süditalienischen Tarent mitten in Stadtzentren errichtet werden, wird mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen. Bonellis Buch über die vielen Krebstoten um das Stahlwerk in Tarent wurde im Ausland viel stärker beachtet als in Italien.Viele historische Anliegen der Grünen wurden von anderen Parteien aufgenommen: In den 1980er- und 1990er-Jahren war das die Radikale Partei. Später war es, zumindest in der Anfangszeit, die 5-Sterne-Bewegung. Das wird heute nur noch sichtbar in ihrem Widerstand gegen fast jedes Infrastrukturprojekt. Dafür ist sie für den Weiterbetrieb von Tarent.