Grünes Licht für den Aufschwung

Rezessionsgefahr steigt aber für 2019 - USA als zeitlich vorauslaufende Wirtschaft sendet Warnsignal

Grünes Licht für den Aufschwung

Die deutsche Wirtschaft hat zwar seit Jahresbeginn an Dynamik verloren, die Rahmenbedingungen bleiben aber günstig. Die Signale für eine Fortsetzung des Aufschwungs stehen daher deutlich sichtbar auf Grün, wie auch die Konjunkturampel des Kiel Economics zeigt. Für 2019 steigt die Rezessionsgefahr allerdings.ba Frankfurt – An konjunkturellen Störfeuern ist in diesem Jahr mit dem nahenden Brexit und dem anhaltenden Handelsstreit zwischen den USA und der EU bzw. China so einiges geboten, doch die deutsche Wirtschaft hält unbeirrt Kurs. Dass im laufenden Jahr noch eine Rezession droht, “kann praktisch ausgeschlossen werden”, erklärt Carsten-Patrick Meier, Chef von Kiel Economics, einer Ausgründung aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Konjunkturampel stehe für 2018 auf “Dunkelgrün” (siehe Grafik). Und auch wenn die Prognosen für das kommende Jahr noch “mit erheblicher Unsicherheit behaftet ist”, sieht Meier nach heutigem Wissen den Aufschwung auch für 2019 nicht gefährdet.Die Konjunkturampel schätzt unter Zuhilfenahme von über 50 volks- und finanzwirtschaftlichen sowie sozialen Kennzahlen die Wahrscheinlichkeit, dass sich die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr in einer ähnlichen gesamtwirtschaftlichen Lage befindet wie 2008/09, 2002/03, 1992/93, 1981/82, 1974/75 und 1966/67, den bisherigen Rezessionsjahren der Nachkriegszeit. Da das Jahr bereits zu zwei Dritteln vorbei ist, bedürfe es keiner ausgefeilten statistischen Methoden, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession für 2018 aktuell bei 2 % liege, weiß Meier. Er erinnert aber aus gegebenem Anlass daran, “dass just vor zehn Jahren genau der Fall eingetreten ist, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion zum Jahresende so stark einbrach, dass das Jahr 2008 heute in der Statistik der Konjunkturbeobachter als Rezessionsjahr gilt”. Auslöser war der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September. Es gab in der Folge der Krise des Europäischen Währungssystems im Herbst 1992 aber einen weiteren, ähnlich gelagerten Fall.Anhand der aktuellen Datenlage errechnet Meier für 2019 eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 24 %. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 10 % könne auch eine Rezessionswahrscheinlichkeit von über 50 % nicht ausgeschlossen werden. Einen Treiber auszumachen, der für den großen Sprung zwischen den Werten für 2018 und 2019 verantwortlich ist, fällt Meier schwer: “In der Regel ist es das Zusammenspiel aller Größen, durch das sich das Signal ergibt.” Einige Hinweise ließen sich gleichwohl entdecken. Baubranche beobachtenEin Rezessionsrisiko sind steigende Zinsen – die zehn Jahre währende Phase sinkender Kapitalmarktzinsen geht dem Ende entgegen. Zudem gilt es den Boom in der Bauwirtschaft genauer zu betrachten. Meier schränkt aber ein: “Man muss nicht so weit gehen wie der US-Ökonom Edward Leamer, der kurz vor dem Platzen der amerikanischen Immobilienblase verkündete, die Wohnungswirtschaft sei ,der Konjunkturzyklus’.” Tatsache ist aber laut Meier, dass vor Rezessionen häufig eine überschäumende Baukonjunktur zu beobachten ist. Dass dies hierzulande vor der Rezession 2008/09 nicht der Fall war, sei eine von den sprichwörtlichen Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Mittlerweile ist aber die Baukonjunktur, gemessen am Grad der Auslastung der Produktionskapazitäten des Baugewerbes, “so gut wie niemals zuvor seit Beginn der statistischen Erhebung dieses Maßes – und das gilt in der Logik der Konjunkturampel als ein Umstand, der die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöht”, erklärt Meier.Aus konjunkturanalytischer Sicht empfiehlt Meier einen Blick über den Atlantik – so wie es in der Vergangenheit immer wieder Phasen gegeben habe, in der die US-Konjunktur der Deutschen zeitlich vorausgelaufen ist, scheine dies etwa mit Blick auf die Geldpolitik auch im laufenden Zyklus der Fall zu sein. Daher hat Kiel Economics die Methodik der Konjunkturampel auf die USA übertragen. Dabei zeigt sich, dass sich im September des Vorjahres sogar präzisere Rezessionswahrscheinlichkeiten schätzen lassen, da die US-Wirtschaft im Nachkriegszeitraum – auf dessen Daten die Konjunkturampel basiert – in drei Rezessionen mehr als die Deutsche gefallen ist. Aktuell zeigt die Konjunkturampel für die USA auf “Hellgelb” (siehe Grafik), die Rezessionswahrscheinlichkeit beträgt 37 %. Ebenso wie in Deutschland liegt dieser Wert deutlich über dem des Vorjahres.Getrieben wird das Ergebnis laut Meier vor allem durch das Konsumentenvertrauen, das sich zwar auf hohem Niveau befindet, im Jahresverlauf aber nicht so stark gestiegen ist wie Ende 2017 erwartet.Wenig Effekt kommt von der Steigung der Zinsstrukturkurve, die Kiel Economics durch die Differenz zwischen dem zehnjährigen Kapitalmarktzins und der Fed Funds Rate abbildet. Seit den 1960er Jahren ist jeder US-Rezession eine negative (“inverse”) Steigung der Zinsstrukturkurve vorausgegangen, der kurzfristige Zins lag über dem langfristigen. Mit 1 Prozentpunkt ist die aktuelle Steigung klar positiv und liegt nur wenig unter dem langjährigen Durchschnitt. Meier weist darauf hin, dass sich viele Analysten auf die Differenz zwischen dem zehnjährigen und dem zweijährigen Kapitalmarktzins beziehen, die aktuell mit etwa 0,2 Prozentpunkten nicht weit vom negativen Bereich entfernt ist. Untersuchungen von Kiel Economics zufolge weist dieses Maß allerdings deutlich instabilere Vorlaufeigenschaften gegenüber vergangenen US-Rezessionen auf.Sowohl für Deutschland als auch die USA wird zwar die Rezessionswahrscheinlichkeit für 2019 höher geschätzt als für 2018, die absoluten Niveaus geben aber noch keinen Anlass zur Sorge. Einen Aufschwung, der demnächst in sein zehntes Jahr geht, sollte man aber grundsätzlich im Auge behalten, warnt Meier: “Die Grüne Welle für die Konjunktur ist nicht sichergestellt.”