Energieversorgung

Habecks Gas-Plan stößt auf Skepsis

Mit einem „Kraftakt“ will sich die Bundesregierung bis Sommer 2024 aus der Abhängigkeit von russischem Gas lösen. Wirtschaftsminister Habeck sieht erste Etappenziele erreicht – doch Experten zweifeln.

Habecks Gas-Plan stößt auf Skepsis

BZ Frankfurt

Die Bundesregierung treibt die Abkehr von Energielieferungen aus Russland voran, sieht Deutschland aber noch für mehr als zwei Jahre auf russisches Gas angewiesen. In einem Zwischenbericht schreibt das Bundeswirtschaftsministerium: „Die Unabhängigkeit von russischem Gas kann in einem gemeinsamen Kraftakt bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden.“ Dann benötige man immer noch 10% des Bedarfs aus Russland. Für mehr Versorgungssicherheit im Winter beschloss der Bundestag am Freitag ein Gasspeichergesetz.

Wegen der hohen Abhängigkeit von russischem Gas und Öl schließt die Bundesregierung bislang einen Importstopp als Sanktion auf Russlands fortdauernde Angriffe auf die Ukraine aus. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte: „Erste wichtige Etappenziele sind erreicht, um uns aus dem Klammergriff der russischen Importe zu lösen.“ Auf russische Kohle wolle Deutschland bis Herbst, auf Öl bis Ende des Jahres verzichten, bekräftigte er frühere Planungen. Deutschland und die EU setzen nun verstärkt auf Flüssiggas aus den USA (siehe Text unten).

Deutschland hat in den vergangenen Jahren etwa 35% seines Ölbedarfs und rund die Hälfte der Kohle aus Russland bezogen. Beim Gas waren es 55%. Mittlerweile liegt der Importanteil von russischem Gas noch bei 40%, wie schon der Bundesverband Energiewirtschaft (BDEW) festgestellt hatte. Dies liegt zum einen an den rasant gestiegenen Preisen, die zum Energiesparen zwingen. Zum anderen verzichten immer mehr Unternehmen von sich aus auf russische Energielieferungen, sofern sie Alternativen finden. Auch laufen mehr Kohle- anstelle von Gaskraftwerken.

Das Wirtschaftsministerium will die Abkehr nun beschleunigen. Habecks Zeitplan trifft bei Analysten auf Skepsis. Niall Trimble vom Beratungsunternehmen Energy Contract Co. sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, die Pläne klängen „ziemlich unwahrscheinlich und vermutlich unmöglich“. Die Transportkapazitäten für die Hauptalternative Flüssiggas seien sehr begrenzt, auch könne sich fehlende Importinfrastruktur als Problem erweisen.

Bislang gibt es in Deutschland keine Anlandepunkte für Flüssiggas. Das soll sich in den kommenden Jahren ändern. Für das geplante erste Flüssiggas-Terminal in Brunsbüttel hat die Betreibergesellschaft German LNG Terminal GmbH in der abgelaufenen Woche einen ersten Großkunden gewonnen: Der Energiekonzern Shell will einer Absichtserklärung zufolge „einen substanziellen Teil“ der dort entstehenden Kapazitäten langfristig buchen. Bis das Terminal in Betrieb gehen kann, wird es nach jetzigem Stand allerdings bis 2026 dauern. Regierungskreisen zufolge wird erwogen, eine Notfall-Regelung zur Planungsbeschleunigung einzusetzen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Die Bundesregierung arbeitet nach eigenen Angaben zudem daran, 2022 und 2023 mehrere schwimmende LNG-Terminals in Deutschland in Betrieb zu nehmen. Die Energiekonzerne RWE und Uniper hätten sich im Auftrag der Bundesregierung eine Option auf drei schwimmende LNG-Terminals gesichert.

Parallel sollen die Gasspeicher im Sommer besser gefüllt werden, um über den Winter zu kommen. Der Bundestag beschloss dafür ein Gesetz, das unter anderem vorsieht, dass die Speicher Anfang November zu 90% gefüllt sein müssen. Das deckt sich mit gerade vorgestellten Plänen der EU-Kommission, die Betreiber von Gasspeichern zudem zertifizieren lassen will.

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