Handelsdeal weckt Zweifel
Mit dem nun unterschriebenen Teilabkommen zwischen den USA und China ist der seit bald zwei Jahren schwelende Handelskonflikt vorerst entschärft. Experten auf beiden Seiten des Atlantiks begrüßen die Einigung zur Deeskalation, äußern aber Bedenken hinsichtlich der Umsetzung und Rechtmäßigkeit. det/rec Washington/Frankfurt – Fast zwei Jahre nach Beginn des Handelsstreits zwischen den Vereinigten Staaten und China ist der im Dezember vereinbarte Waffenstillstand perfekt. Im Weißen Haus unterzeichneten US-Präsident Donald Trump und Chinas Vizeministerpräsident Liu He am Mittwoch ein Teilabkommen, auf das sie sich im Dezember verständigt hatten. Es sieht zunächst keinen Abbau von Importzöllen seitens der USA vor, wie Trump sagte: “Die Zölle bleiben in Kraft. Wir werden sie senken, wenn wir eine Phase-2-Einigung erzielt haben.” Im Vorfeld hatte es geheißen, dass die USA zumindest Strafzölle auf einen Teil der Importe aus China von 15 % auf 7,5 % kürzen würden. Die bestehenden Zölle dürften somit über die Präsidentschaftswahlen im November hinaus in Kraft bleiben. Die Verhandlungen zu Phase zwei sollen laut Trump “baldmöglich” beginnen.Auf deutscher und europäischer Seite rief die Einigung gemischte Reaktionen hervor. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, sagte, eine weitere Eskalation könne mit den Unterschriften vorerst vermieden werden. Bis zu einer wirklichen Entspannung im Welthandel sei es aber noch ein weiter Weg. “Über die internationalen Lieferketten sind deutsche Unternehmen unmittelbar Leidtragende des bisherigen Handelskonflikts. Schließlich sind die USA und China unsere Exportmärkte Nummer 1 und 3.”Auch für Jörg Wuttke, den Präsidenten der Europäischen Handelskammer in China, ist die Unterschrift einerseits eine gute Nachricht. Wuttke schränkte aber laut der Nachrichtenagentur dpa-afx am Mittwoch in Peking ein: “Was wir natürlich nicht mögen, ist die Tatsache, dass es gelenkter Handel ist.” Wuttke bezog sich dabei auf den Anhang des Abkommens, in dem China und die USA in konkreten Beträgen aufschlüsseln, in welchen Branchen chinesische Unternehmen mehr Waren und Dienstleistungen aus den USA beziehen sollen. Diese “Einkaufsliste” der USA lehne man ab. Es gehe nicht mehr um den besten Preis oder den besten Anbieter, sagte Wuttke. “Dieser geführte Handel ist der Teil, der uns Sorgen macht.” Verstoß gegen WTO-Recht?Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer äußerte Zweifel, ob Peking seine Importzusagen einhalten kann. “Beim Import von Flugzeugen kann ich mir das vorstellen, weil die Fluggesellschaften dem Staat gehören.” Anders sei das beim Absatz von Autos. Über den entscheide nicht der Staat, und deutsche Autos seien bei chinesischen Kunden hoch im Kurs. “Die deutschen Autoindustrie sollte unter dem US-chinesischen Handelsdeal nicht leiden”, urteilt Krämer.Außenhandelsexperte Gabriel Felbermayr hat einen anderen Einwand. Dem Präsidenten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge sind “explizite Vereinbarungen über Handelsvolumen für bestimmte Produktgruppen” nicht im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). “,Managed Trade` verstößt klar gegen die Richtlinien der WTO”, sagte Felbermayr. “Der Deal hebelt marktwirtschaftliche Prinzipien zugunsten der USA und zulasten von Drittländern aus.”Trump dürfte das nicht scheren. Er hat die WTO massiv kritisiert, mit dem Austritt seines Landes gedroht und das Schiedsgericht lahmgelegt, indem die USA die Nachbesetzung von Richterstellen blockieren. Sein primäres Ziel aber ist, Ein- und Ausfuhren der USA stärker auszubalancieren. Mit Blick auf China scheint ihm das zu gelingen: Der Passivsaldo aus Im- und Exporten im bilateralen Handel mit dem Reich der Mitte dürfte 2019 gegenüber dem Rekordwert von 421 Mrd. Dollar im Jahr zuvor um rund ein Sechstel niedriger ausgefallen sein. Allerdings haben US-Firmen das Felbermayr zufolge “teuer erkauft: Billige Importe aus China etwa im Bereich industrieller Vorprodukte und Investitionsgüter mussten durch teure Importe aus Industrieländern wie der EU kompensiert werden.” Folglich tendiert das Handelsbilanzdefizit gegenüber der EU in die entgegengesetzte Richtung: Es wächst. Der Handelsüberschuss der EU mit den USA hat sich nach Angaben des Statistikamts Eurostat in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres um 14,1 Mrd. Euro auf 143 Mrd. Euro ausgeweitet. Das gesamte Handelsdefizit der USA dürfte nach Berechnungen des IfW voriges Jahr ein Allzeithoch von 911 Mrd. Dollar erreicht haben.Auch US-Experten sind skeptisch. Joel Trachtman, Professor für Internationales Recht an der Tufts-Universität, nannte es “zweifelhaft, ob China tatsächlich zu den entsprechenden Reformen bereit sein wird”. Besonders schwierig sei es, zu überprüfen, inwieweit Technologietransfers weiterhin stattfinden, weil die betroffenen US-Firmen “ungern darüber sprechen”. Derek Scissors, Handelsexperte beim American Enterprise Institute (AEI), bemängelt, “dass das Abkommen keinen einseitigen Überprüfungsmechanismus für die USA enthält” und Trump bei Verstößen eigenhändig neue Zölle verhängen dürfe.