Handelspolitik wird zum Minenfeld
rec Frankfurt – “Konflikte bewältigen und Frieden fördern” – das hat sich die Bundesregierung als Leitmotiv für ihre Agenda in der Außen- und Sicherheitspolitik auf die Fahnen geschrieben. Gedeihliche Handelsbeziehungen gelten dahingehend als wirksames Instrument. Paradoxerweise erweist sich aber gerade die Handelspolitik derzeit als Minenfeld.Beispiel Freihandelsabkommen: Berlin trommelt für den bereits fertig ausgehandelten Vertrag mit den lateinamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Widerstand kommt sowohl aus dem Europaparlament, wo das Abkommen im Herbst zur Abstimmung stehen soll, als auch aus mehreren Mitgliedstaaten, deren Parlamente das sogenannte Mercosur-Abkommen ratifizieren müssen. Der prominenteste Gegner ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.Als Hindernis erweist sich die von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro unterstützte Politik der Brandrodung im Amazonas-Gebiet. Macron hat sein Veto zu Wochenbeginn bekräftigt. Nachverhandlungen könnten unumgänglich werden – dabei strebt die Bundesregierung “zügige Fortschritte bei der Finalisierung des Abkommens mit dem Mercosur” an.Handelspolitischer Sprengstoff anderer Art ist Berlins Vorhaben für einen europaweiten CO2-Grenzausgleich. Importeure von außerhalb der EU sollen künftig draufzahlen, wenn ihr Heimatstaat den Ausstoß von Kohlendioxid nicht oder in geringerem Umfang bepreist als die EU. Das Klimaschutzinstrument ist auch im nationalen Interesse, schließlich will die große Koalition einen Mindestpreis für CO2 einführen.Auf Macron kann Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Angelegenheit zählen. Arbeiten in der EU-Kommission laufen bereits. Dafür wittern etliche Handelspartner Verstöße gegen geltendes Recht der Welthandelsorganisation (WTO). Selbst in den eigenen Reihen zeichnet sich Widerstand ab. Am Dienstag meldete Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus Bedenken an: “Wir sehen das durchaus auch kritisch. Denn es gibt für eine CO2-Grenzsteuer auch viele, viele Nachteile”, sagte der CDU-Politiker vor der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.Andere Pläne rufen die hiesige Wirtschaft auf den Plan. So zielt Berlin im Welthandel auf mehr “Unternehmensverantwortung” bei Menschenrechten, Sozial- und Umweltstandards, und auch “Lehren aus der Covid-19-Pandemie” sollen einfließen. Im Europaparlament laufen Bestrebungen für ein europäisches Lieferkettengesetz. Eric Schweitzer, Präsident des Industrieverbands DIHK, fordert: “Die Unternehmen müssen über die Gestaltung ihrer Lieferketten selbst entscheiden können.” Kaum Erwähnung findet allerorten die zerrüttete Beziehung zu den USA. Besserung verspricht sich vor der Präsidentschaftswahl im November offenbar niemand mehr.