Von Alexandra Baude, FrankfurtSanfte Pianoklänge durchwehen das Gebäude, eine angeregt plaudernde Menge, Kellner, die Getränke reichen – solch eine Baratmosphäre wie bei der Eröffnung des Besucherzentrums ist wohl eher nach dem Geschmack von EZB-Präsident Mario Draghi als die doch eher dissonanten Molltöne, die ihm angesichts der Diskussion um den idealen Zeitpunkt für den Einstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik derzeit im fortissimo forte entgegenschallen.Über die Fragen, ob nun die Anleihenkäufe von derzeit monatlich 60 auf 40 Mrd. Euro oder noch weniger gedrosselt werden und wie lange das Quantitative Easing (QE) noch fortgesetzt wird, wird in drei Wochen im Sitzungssaal des EZB-Rats in luftiger Höhe beraten und beschlossen. Besucher werden davon nichts mitbekommen, auch wenn sie in einem runden Raum 41 Stockwerke und seitlich versetzt unter dem Ort des Geschehens ebenfalls an einem runden Tisch in edlen Lederstühlen Platz nehmen und sich wie ein Ratsmitglied fühlen können – wenn auch alles in erheblich kleinerem Maßstab gehalten ist. Eine Tafel mit den Konterfeis der amtierenden Notenbankpräsidenten des Euroraums erleichtert die Platzwahl, und die fehlende Panoramaaussicht wird durch Projektionen des Fernblicks und Impressionen aus dem Arbeitsalltag einiger EZB-Mitarbeiter wieder wettgemacht.Im frisch eröffneten Besucherzentrum, das sich im vorderen Teil der ehemaligen Großmarkthalle aus dem Jahr 1928 befindet, werden in vier Hauptbereichen grundlegende Fragen anschaulich erörtert: Was ist Preisstabilität, warum sind stabile Preise wichtig, und welche Rolle spielt dabei die EZB? Wie wird die Finanzstabilität gefördert, und wie werden Europas führende Banken überwacht? Welche Aufgaben hat die EZB bei der Entwicklung von Zahlungsverkehrssystemen und der Ausgabe von Euro-Banknoten? Und was sind die größten Errungenschaften Europas? Der Euro verbindet die vier Bereiche, die mit “Wahren”, “Schützen”, “Verbinden” und “Erreichen” überschrieben sind. Die Öffentlichkeit solle “im Herzen der EZB” mehr über deren Tätigkeiten lernen und “erfahren, wie sie das alltägliche Leben von Menschen und Unternehmen beeinflussen”, sagte Draghi bei der feierlichen Eröffnung.Und in der Tat, zu erfahren gibt es viel, die Aufbereitung ist gelungen. Zielgruppe für die tabletgestützten 90-minütigen Führungen sind vor allem junge Leute, und das merkt man – es gibt einige Stationen, bei denen man selbst aktiv werden kann, die Texte in 3 der 24 Amtssprachen (Deutsch, Englisch und Französisch) auf den Schautafeln sind sehr kurz gehalten, und wer Lust auf zusätzliche Informationen hat, richtet einfach die Kamera des Tablets auf das entsprechende Symbol und wird versorgt. Wie etwa auf der Bodenfläche direkt zu Beginn der Ausstellung, die zu einer Europareise einlädt: Ganz nach dem eigenen Gusto lassen sich hier die Länder Europas mit ihren Hauptstädten und spezifischen Rückseiten der Euro-Münzen schnell ab- und überschreiten, oder man lässt sich Zeit und vertieft sich in die angebotenen kurzen Filme zu den einzelnen Ländern.Besonders spannend sind wohl zwei Stationen: Zum einen lässt sich die eigene Körpergröße in Cent-Stücken messen. Daraus ergibt sich, dass der durchschnittliche deutsche Mann mit 175 bis 179 Zentimetern 1 050 bis 1 090 Cent “wert” ist. Zum anderen kann am Ende der Besucherfläche unterteilt in vier Altersgruppen per Einwurf verschiedenfarbiger Bälle in Glaskästen abgestimmt werden, was die größte Errungenschaft der EU ist – zur Auswahl stehen “Friede”, “Binnenmarkt”, “Personenfreizügigkeit”, “Menschenrechte” und “Umweltschutz”. In Brexit-Zeiten wahrlich keine einfache Wahl.Etwa 900 Gäste sollen im Verlauf einer Woche in den Genuss einer Führung kommen, pro Jahr werden etwa 40 000 Besucher erwartet. Damit wurden die Kapazitäten für Besuchergruppen verdreifacht. Entwicklung und Aufbau des Besucherzentrums haben gut zwei Jahre in Anspruch genommen und insgesamt 5,4 Mill. Euro verschlungen. Ein Zeichen der Verpflichtung zu Offenheit und Transparenz soll das Besucherzentrum sein – dies geht aber nicht so weit, dass jetzt schon offengelegt würde, wann es mit den Zinsen wieder aufwärtsgeht. ——–Im frisch eröffneten Besucherzentrum werden Aufgaben und Rolle der EZB anschaulich erklärt.——-