Hat die Euro-Krise ihren Zenit bereits überschritten?
Thorsten Polleit, Barclays Capital: Die “Euro-Krise” ist im Kern eine Geldsystemkrise, die nicht nur den Euroraum, sondern auch alle anderen bedeutenden Währungsräume erfasst hat. Das “Papiergeldsystem” ist zum Ende gekommen, und die Suche nach einer weltweiten neuen Währungsarchitektur hat begonnen.Stefan Bielmeier, DZ-Bank: Ein Höhepunkt der Krise liegt hinter uns, aber es wird neue Krisenschübe geben. Aus meiner Sicht werden die Schwierigkeiten in Spanien zu einer erneuten Eskalation führen, allerdings erst Ende 2012 bzw. Anfang 2013. Wenn diese Probleme gelöst sind, wird die Eurozone in ruhigeres Fahrwasser zurückkehren.Martin Lück, UBS: Der Zenit der Krise dürfte überschritten sein, in dem Sinne, dass ein derart extremer Anstieg der Spreads wie im zweiten Halbjahr 2011, der die Eurozone als Ganzes gefährden kann, in Zukunft vermutlich durch frühzeitigere Politikmaßnahmen gekontert würde. Die Krise wird sich aber noch über mehrere Jahre hinziehen. Einerseits dauert es lange, die notwendigen institutionellen Veränderungen zu schaffen, andererseits dürfte Glaubwürdigkeit erst nachhaltig zurückkehren, wenn es gelingt, trotz fiskalischer Konsolidierung und Strukturreformen in der Peripherie zu Wachstum zurückzukehren.Sylvain Broyer, Natixis: Bald wird es offensichtlich werden, dass Fiskaldisziplin und Wettbewerbsfähigkeit nicht reichen, um dem Euro eine dauerhafte Zukunft zu sichern. Wir brauchen eine Fiskalunion; doch hier sind keine bahnbrechenden Initiativen ergriffen worden.Klaus Wiener, Generali Investments: Die Reaktion der Politik auf die Staatsschuldenkrise ist durchaus beherzt. Doch benötigen viele Maßnahmen einfach Zeit, bevor sie sich in geringeren Defiziten und höheren Wachstumspfaden niederschlagen. Hält die Politik an diesem Kurs fest, wird die Krise an Virulenz verlieren. Wird indes am Konsolidierungskurs gerüttelt, besteht aufgrund eines erneuten Vertrauensverlustes der Investoren die Gefahr einer erneuten Verschärfung der Krise.Otmar Lang, Targobank: Die Krise ist erst dann vorbei, wenn die Eurozone verkleinert wurde. Ausscheiden müssten Griechenland und Portugal. Und die Mitgliedschaft Italiens und Spaniens müsste zwecks Konsolidierung vorübergehend ausgesetzt werden.Martin W. Hüfner, Assenagon: Das Problem ist, dass man die Bevölkerung nicht auf die Konsequenzen der Euro-Einführung vorbereitet hat. Sie wurde dargestellt als eine eher technische Maßnahme. Doch wird der Euro nur überleben, wenn es eine politische Union gibt, und eine politische Union gibt es nur, wenn die Politiker dafür das Mandat der Bevölkerung bekommen. Sie müssen für Europa und die Integration werben, nicht über Brüssel als bürokratisches und undemokratisches Monster schimpfen.Jan Bottermann, National-Bank: Der Abbau der aufgelaufenen Lohnstückkostendivergenzen wird noch Jahre dauern, da die notwendigen Reformen erst allmählich greifen und die akkumulierten Ungleichgewichte erheblich sind.Alexander Krüger, Bankhaus Lampe: Die harte Haushaltskonsolidierung lässt das BIP-Wachstum in vielen EWU-Ländern derzeit einbrechen, gleichzeitig sind viele Refinanzierungszinsen höher, als es zur Stabilisierung der Staatsschuldenquoten “erlaubt” ist. In den meisten Staaten wird das Schuldenproblem daher zurzeit größer, der Hochpunkt ist hier noch nicht erreicht.Carsten Klude, M. M. Warburg: Die Ausweitung der Rettungsschirme und die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank lösen die Euro-Krise nicht. Sie eröffnen den Regierungen allenfalls ein Zeitfenster, um die Staatshaushalte zu konsolidieren und strukturelle Wachstumshemmnisse zu beseitigen. Die Erfolge von Wachstumsreformen und Sparmaßnahmen werden jedoch erst mittelfristig auftreten und für die Märkte erkennbar sein. Bis dahin besteht die Gefahr, dass sich die Euro-Krise erneut zuspitzt.