Hellas hält Euroland erneut in Atem
Griechenland provoziert einmal mehr hitzige Diskussionen an den Märkten und in der Politik. Drei Wochen vor den Neuwahlen wird über ein mögliches Ausscheiden des krisengeplagten Landes aus der europäischen Währungsunion spekuliert. Abermals steht in Griechenland viel auf dem Spiel.fed/ge Brüssel/Berlin – Die Anleger an den Finanzmärkten – nicht nur in Athen – zeigten sich angesichts der Mutmaßungen über einen möglichen “Grexit” verunsichert. Viele fürchten im Falle eines Wahlsiegs der Linkspartei Syriza unter der Regie ihres Vorsitzenden Alexis Tsipras eine Abkehr des Landes vom bisherigen Sparkurs – mit der dramatischen Folge, dass die Euro-Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF) dann ihre finanzielle Unterstützung einstellen. Griechenland stünde damit am Rande des Kollaps. Zwar erwirtschaftet das Land mittlerweile wieder einen Primärüberschuss, nimmt also – sofern man die Bedienung und Tilgung der Schulden herausrechnet – mehr ein, als es ausgibt. Da aber 2015 auslaufende Milliardenkredite zurückgezahlt werden müssen, ist das Land auf neues Geld angewiesen.Die Bundesregierung signalisierte einen harten Kurs, falls eine neue Regierung in Athen die Sparvorgaben ignorieren sollte. Vizekanzler Sigmar Gabriel trat der Erwartung entgegen, Deutschland und die Euro-Partner würden schon aus eigenem Interesse Hellas nicht fallen lassen. Gabriel verwies darauf, dass die Eurozone heute ungleich stabiler sei als noch vor wenigen Jahren. “Deswegen sind wir übrigens auch nicht erpressbar, sondern erwarten von der griechischen Regierung, egal wer sie stellt, dass die mit der EU getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden”, sagte er der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”.Die EU-Kommission verkniff sich eine Kommentierung der Spekulationen, um die politisch sensible Debatte nicht zusätzlich aufzuheizen. Allerdings sagte eine Sprecherin: “Alles, was nun zählt, ist, wie sich die griechischen Wähler am 25. Januar äußern werden.” Damit erinnerte auch die EU-Kommission Griechenlands Bürger an ihre Verantwortung für die Euro-Zukunft des Landes. Viele Milliarden im FeuerIn der Tat steht in Griechenland viel auf dem Spiel. Zwar sehen die europäischen Verträge die Möglichkeit des Austritts oder gar des Rauswurfs eines Landes aus der Eurozone nicht vor. Wenn jedoch die Euro-Partner keine Hilfe mehr gewähren, könnte Hellas auf kurz oder lang seine Schulden nicht mehr bedienen und müsste wohl den Euro aufgeben. Damit würde die Verschuldung sprunghaft in die Höhe schnellen. Zudem wären Wohlstandseinbußen programmiert. Erhebliche Konsequenzen hätte ein “Grexit” auch für die 18 Euro-Partner. Erstens müssten sie sich darauf einstellen, einen erheblichen Teil des Gelds in den Wind schreiben zu müssen, das sie Griechenland geliehen haben. Fast 53 Mrd. Euro haben die Länder bilateral nach Athen überwiesen, zudem knapp 142 Mrd. über den gemeinsamen Rettungsschirm EFSF – und der erfährt im Ernstfall (anders als der IWF) keinerlei bevorzugte Gläubigerbehandlung. Neben diesen unmittelbar erwartbaren Kosten gibt es unabsehbare. Bisher etwa sind die Risikoaufschläge für italienische oder portugiesische Staatsanleihen nicht gestiegen – was sich bei einem Hellas-Ausstieg schnell ändern könnte.Deutsche Banken haben nur noch Forderungen von gut 23 Mrd. Euro im Feuer – die überwiegend auf die staatliche KfW entfallen. Entsprechend urteilt Michael Kemmer, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, dass die unmittelbaren Effekte einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands für hiesige Banken “verkraftbar” wären.Dagegen beurteilen EU-Diplomaten die politischen Risiken als bedeutend. Griechenland hat für die EU wichtige strategische Funktion als Brückenkopf nach Südosteuropa und den Nahen Osten. Im Falle einer dramatischen Kapitalflucht könnte sich die EU nur noch bedingt auf die Funktionsfähigkeit Griechenlands, etwa bei der Kontrolle von Migration und Außengrenzen, verlassen.Vor dem Hintergrund der gewaltigen Risiken auf beiden Seiten rechnen Volkswirte damit, dass es Griechenlands künftige Regierung und die Euro-Partner letztlich nicht auf den großen Knall ankommen lassen.