Hohe Zinsen schwächen Finanzstabilität
Hohe Zinsen schwächen Finanzstabilität
Zinssenkungen im zweiten Halbjahr erwartet – Geopolitik bremst Wachstum – Fiskalpolitik belastet Staatshaushalte
Die Länderbonität ist im vergangenen Jahr trotz zahlreicher Herausforderungen unerwartet stabil geblieben. Die Schuldenlast steigt aber weiter und die hohen Zinsen belasten die Staatshaushalte. Neben der straffen Geldpolitik sehen die Ratingagenturen in der Geopolitik das größte Risiko für die Staatsfinanzen.
ast Frankfurt
Die internationale Staatengemeinschaft hat ein anspruchsvolles Jahr hinter sich. Die weiteren Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und die schwache Erholung nach der Coronavirus-Pandemie forderten ihren Tribut. Mit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres kam ein weiterer geopolitischer Brandherd hinzu. Und auch die Spannungen zwischen China und den USA konnten nicht aufgelöst werden. Um Verbraucher und Unternehmen von den hohen Energiekosten zu entlasten, haben die Staaten zudem erneut umfangreiche Ausgabenpakete geschnürt. Diese belasten die Haushalte und halten das internationale Schuldenniveau oberhalb des Standes vor der Coronakrise (siehe Grafik). Das Ende der Pandemie wirkt sich demzufolge nicht positiv auf die Schuldenlast aus.
Stabiles Jahr für Ratings
Zudem haben die meisten Notenbanken ihre Geldpolitik auf historische Weise gestrafft und die Leitzinsen erhöht. „Steigende Zinssätze und höhere Schuldenkosten haben die Schuldentragfähigkeit in vielen Ländern belastet“, analysiert Dietmar Horning, Experte bei der Ratingagentur Moody’s in Frankfurt. „Die Staaten sind mit einem allmählichen Anstieg ihrer Zinslast konfrontiert, da die Schulden zu höheren Refinanzierungskosten weiterlaufen“, heißt es dazu von Scope, der größten europäischen Ratingagentur.
Angesichts der globalen konjunkturellen Schwäche zeigten sich die Staatenratings der großen Agenturen Fitch, Standard & Poor’s und Moody’s aber weitgehend stabil. So konzentrierten sich die Herabstufungen bei den Ratings in erster Linie auf das untere Ende der Skalen. Dort ist die Anfälligkeit für ungünstige Finanzierungs- und Wirtschaftstrends am größten. „Die höheren Zinskosten machen sich zunehmend in den Budgets bemerkbar, aber vor allem in entwickelten Märkten mit längeren Laufzeiten bei der bestehenden Verschuldung passiert dies nur nach und nach“, erklärt Christian Esters, Managing Director bei S&P Global Ratings.
Zinssätze bleiben höher
Ähnlich interpretiert auch Rating-Experte Horning von Moody’s die Ratingveränderungen des letzten Jahres. Er betont zudem: „Positiv zu vermerken ist, dass in einigen Fällen strukturelle Reformen, günstige Schuldentrends und eine Verbesserung der Bankensysteme zu einer Heraufstufung der Ratings geführt haben.“ Beispiele hierfür sind etwa Portugal und Griechenland. Letzteres kehrte im vergangenen Jahr auch bei Fitch erstmals seit der Euro-Krise in die Investment-Grade-Ränge zurück.
Allerdings ist es um die Staatshaushalte in vielen Ländern nach wie vor schlechter bestellt als vor der Pandemie. Laut Esters ist so die Flexibilität gesunken, „auf potenzielle künftige Krisen mit Budgetmaßnahmen zu reagieren“. Das dürfte neben den aktuellen geo- und geldpolitischen Herausforderungen ein Grund dafür sein, dass die negativen Ausblicke dominieren. Nur Fitch ist diesbezüglich optimistischer.
Gemeinsam haben alle Rating-Experten, dass sie im Laufe des Jahres Zinssenkungen der großen Notenbanken erwarten. Insbesondere EZB und Fed stehen im Fokus. Allerdings gehen sie davon aus, dass die Zinsen nicht auf das Niveau vor der massiven geldpolitischen Straffung seit Sommer 2022 zurückkehren werden. „Die Agentur ist nun der Ansicht, dass die realen Zinssätze dauerhaft höher sein werden als in diesen Zeiträumen, selbst wenn die Leitzinsen im Jahr 2024 sinken“, heißt es im Jahresausblick bei Fitch. Auch bei Scope heißt es im Ausblick: „Die offiziellen Zinssätze bleiben auf Spitzenwerten, die über den Markterwartungen liegen.“ Allerdings rechnet auch die größte europäische Ratingagentur, die im vergangenen Jahr als erste Ratingagentur des gemeinsamen Währungsraums die Zulassung der EZB erhielt, mit sinkenden Leitzinsen im zweiten Halbjahr. Ausnahme ist die Bank of Japan, die 2024 voraussichtlich den Bereich der Negativzinsen verlassen dürfte.
Geopolitik bremst Wachstum
Länger hoch bleibende Zinsen und der strukturell steigende Ausgabendruck stellen zunehmend eine Herausforderung für die Tragfähigkeit der Schulden und für die Finanzstabilität dar. Insbesondere für die EU-Mitgliedstaaten sind die Herausforderungen bedeutsam. Denn 2024 werden die fiskalischen Regeln wieder eingeführt. Zudem steigt dort relativ gesehen der Ausgabendruck aufgrund der alternden Bevölkerung, der grünen Transformation und der Verteidigungsanforderungen.
Mit Blick auf die Wachstumsprognosen zeigen sich die Agenturen ausgeglichen. „Eine erhebliche Eskalation der geopolitischen Risiken im nächsten Jahr könnte die Inflation erhöhen und das Wachstum dämpfen“, heißt es bei Scope. Umgekehrt könnte eine Entspannung der Konfliktherde die Konjunktur auch ankurbeln.