Hongkong reagiert mit "Helikoptergeld"

Wirtschaft leidet unter Coronavirus und Protesten

Hongkong reagiert mit "Helikoptergeld"

BZ Hongkong – Immer mehr Regierungen ergreifen angesichts der um sich greifenden Coronavirus-Epidemie auch wirtschaftspolitische Maßnahmen. Hongkong greift deshalb, aber auch wegen der durch die Massenproteste verschärften Wirtschaftskrise zu ungewöhnlichen Mitteln. Jeder Einwohner über 18 Jahren erhalte 10 000 Hongkong-Dollar (rund 1 180 Euro) ausgezahlt, kündigte Finanzminister Paul Chan laut Agenturberichten an. Zusammen mit Steuernachlässen für Unternehmen und weiteren Subventionen soll so die Konjunktur angekurbelt werden. Dafür nimmt die Regierung das erste Haushaltsdefizit seit 15 Jahren in Kauf, das etwa 1,3 % des Bruttoinlandsproduktes ausmachen soll. Für das Haushaltsjahr 2020/21 erwartet Chan ein noch größeres Defizit von 4,8 %.Hongkongs Wirtschaft ist im Sommerquartal erstmals seit einem Jahrzehnt in die Rezession gerutscht. Neben dem Handelskonflikt zwischen China und den USA trugen dazu die Massenproteste in Hongkong bei. Viele Touristen bleiben der Metropole fern, zahlreiche Geschäfte mussten zeitweise schließen. Verschärft hat sich Krise inzwischen durch die Ausbreitung des Coronavirus, wodurch etwa Touristen vom Festland ausbleiben. Leisten kann sich die Handelsmetropole nach jahrelangem Boom die Extraausgaben. “Hongkong hat für schlechte Zeiten vorgesorgt”, sagte Anthony Chan, Chefstratege für Asien-Investitionen bei Union Bancaire Privée.Wenn Bürger ohne Gegenleistung vom Staat direkt Geld erhalten, sprechen Ökonomen von “Helikoptergeld”. In der klassischen Form ist damit gemeint, dass eine Notenbank jedem Bürger einen gleich hohen Geldbetrag schenkt. Das Bild eines solchen Geldregens aus dem Helikopter soll der US-Ökonom Milton Friedman erstmals benutzt haben.Die Idee dahinter ist, dass die Einwohner das geschenkte Geld unmittelbar ausgeben und so die Wirtschaft beflügeln. Kritiker befürchten, dass solche Finanzspritzen nur neue Begehrlichkeiten wecken und die Vorstellung nähren, Notenbanken müssten zur Problemlösung einfach nur mehr Geld drucken. Auch bestehe das Risiko, dass die Bürger das Geld eben nicht ausgeben, sondern zumeist sparen. EU fordert NotfallpläneInzwischen gibt es auch in Europa immer mehr Coronavirus-Infizierte und -Tote. Dies hat nun die EU-Kommission auf den Plan gerufen. So müssen sich nach Aussagen von Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides alle EU-Staaten mit Notfallplänen auf einen größeren Ausbruch des Coronavirus vorbereiten. Die Mitgliedsländer sollten ihre Pandemiepläne überarbeiten und die Brüsseler Behörde informieren, wie sie diese umsetzen wollten, sagte sie in Rom.Nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist bei einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein permanenter Schaden für die Wirtschaft in Deutschland entsteht. Laut dem Sender RTL fordert DIW-Präsident Marcel Fratzscher den Staat auf, mit Investitionen gegenzusteuern.