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Huawei - oder der Kampf um die Führung in der Welt

Börsen-Zeitung, 8.12.2018 Vor 40 Jahren, im Dezember 1978, begann China seinen langen Marsch der ökonomischen Reformen und der wirtschaftlichen Öffnung, initiiert vom legendären Deng Xiaoping. Auf dem Weg vom verarmten Bauernstaat zur führenden...

Huawei - oder der Kampf um die Führung in der Welt

Vor 40 Jahren, im Dezember 1978, begann China seinen langen Marsch der ökonomischen Reformen und der wirtschaftlichen Öffnung, initiiert vom legendären Deng Xiaoping. Auf dem Weg vom verarmten Bauernstaat zur führenden Industrienation der Welt, zu der Chinas amtierender Staatspräsident Xi Jinping das Land in den nächsten 30 Jahren machen will, wird man sich auf Geplänkel am Rande wie aktuell die Verhaftung der Huawei-Finanzchefin in Kanada auf US-amerikanische Veranlassung gewöhnen müssen. Denn der Aufstieg des einen Landes ist der Abstieg und Machtverlust eines anderen Landes, sprich der USA. Das Ziel Chinas, bis 2025 zum Innovationsführer in Schlüsselbranchen wie Energieerzeugung, E-Mobilität, Robotik, Telekommunikation, Mobilfunk, Medizintechnik sowie im Fahrzeug-, Flugzeug-, Eisenbahn- und Schiffbau aufzusteigen, ist eine Kampfansage an die westlichen Industrienationen, insbesondere an die USA. Zum Überholen angesetztSolange China als verlängerte Werkbank und boomender Absatzmarkt westlicher Konzerne diente, hielt sich das Konfliktpotenzial in Grenzen. Ein bisschen Raubkopien hier, ein wenig Patentverletzungen dort – selten ein Grund zur Aufregung oder gar Besorgnis. Der Westen lernte schnell, nur so viel Technologie ins Reich der Mitte zu liefern wie nötig – und möglich, um den eigenen Vorsprung nicht zu gefährden. Doch schon seit einigen Jahren funktioniert diese Strategie nicht mehr. Chinesische Firmen kaufen sich in amerikanische, europäische und andere asiatische Unternehmen ein und organisieren den Know-how-Transfer über viele Kanäle. Mit der Herrschaft des Staatskapitalismus und der Macht von einer Milliarde Konsumenten hat China in etlichen Branchen schon zum Überholprozess angesetzt. Die Telekommunikation ist eine dieser Branchen und Huawei deren Flaggschiff. Keine zehn Jahre nach Chinas Startschuss zur wirtschaftlichen Öffnung als privates Unternehmen gegründet, ist Huawei heute der weltgrößte Netzwerkausrüster und führend in neuen Technologien wie 5G.Der Vorwurf, Huaweis Technologie sei das Einfallstor für chinesische Spionage, ist so abwegig oder auch zutreffend wie die Behauptung, Googles Kundendaten würden vom amerikanischen Geheimdienst abgeschöpft. Beides ist möglich, beides wird niemals zu beweisen sein. Das Argument westlicher Geschäftspartner Huaweis wie beispielsweise der Deutschen Telekom, der chinesische Konzern sei ein privates Unternehmen und kein Staatsunternehmen und deshalb als Lieferant sensibler Infrastruktur unbedenklich, ist an Naivität freilich kaum zu überbieten. Egal ob privat oder staatlich – Chinas große Konzerne machen nichts ohne den Segen und die wohlwollende Begleitung durch die kommunistische Führung, zumal im Ausland. Wenn man sich vor Augen führt, welchen Tanz deutsche Politiker und insbesondere der Bundeswirtschaftsminister aufgeführt haben, als der vergleichsweise kleine deutsche Roboterhersteller Kuka von einem chinesischen Unternehmen erworben wurde, und dieser Erwerb dann den Anstoß zur Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes gab, dann muss man sich über die Gelassenheit des deutschen Staatskonzerns Telekom zu Huawei und das Festhalten an der engen Beziehung schon wundern. Wie lange noch? Ändern kann sich das schnell: Am US-Mobilfunkmarkt ist die Telekom ein wichtiger Spieler. Und Präsident Trump zögert bekanntlich nicht, seine politischen Vorgaben über den Weg nationaler Bestrafung weltweit durchzusetzen, wie er das bei den Iran-Sanktionen schon mehrfach durchexerziert hat. Gefahr der EskalationDer Fall Huawei macht deutlich, dass es in der Auseinandersetzung zwischen den USA und China längst nicht mehr um Handelsbilanzen, Marktanteile und Arbeitsplätze in den jeweiligen Ländern geht, sondern um geopolitische Rivalität. Die Welt in den nächsten drei Jahrzehnten nicht nur ökonomisch und technologisch zu erobern ist erklärtes Ziel der chinesischen Partei- und Staatsführung. Je nach politischer Großwetterlage wird dieses Ziel mehr oder weniger geschmeidig verfolgt. Solange der Westen an die Wohltaten eines regelbasierten freien Welthandels glaubte, nutzte China die offenen Märkte nach besten Kräften, ohne im Gegenzug auch Kontrolle im eigenen Heimatmarkt abzugeben.Nun, da US-Präsident Donald Trump den Zugang zum US-Markt mit Zollschranken erschwert und auf entsprechender Öffnung Chinas besteht, antwortet China selbstbewusst mit gleicher Münze. Auch wenn die Finanzmärkte nervös jede Bewegung begleiten und kleinere Scharmützel wie die Verhaftung der Huawei-Managerin mit Kursstürzen quittieren, ist das vielleicht nur ein Vorgeschmack auf Schlimmeres. Eskalationsmöglichkeiten im Kampf um die Nummer 1 in der Welt gibt es viele. Sie reichen von Chinas Drohung, sich aus der Rolle als Hauptfinanzierer der US-amerikanischen Staatsschuld zurückzuziehen, bis zu Stellvertreterkriegen im Südchinesischen Meer. Anfang des Jahres ließ allein das Gerücht, China könnte sich als Geldgeber von seinem Hauptschuldner USA abwenden, den Dollar taumeln und die Renditen von US-Staatsanleihen hochschießen. Chinesische Gläubiger halten für etwa 1,2 Bill. Dollar amerikanische Staatsanleihen und andere US-Wertpapiere. Europa ohne AntwortDie Eskalation des Handelskonflikts zum kalten oder gar heißen Krieg ist leider keine theoretische Option, sondern angesichts der Mentalität der Regierenden in Washington, Peking und Moskau eine ernst zu nehmende Bedrohung. Europas Unternehmen, aber auch Europas Politik sind auf eine solche Art von Auseinandersetzung nicht vorbereitet. Weder gibt es eine europäische Antwort auf den Bannstrahl der USA gegen im Iran tätige Unternehmen noch eine gemeinsame europäische Linie zum umstrittenen Technologietransfer nach China. Europa beschäftigt sich lieber mit sich selbst.—– c.doering@boersen-zeitung.de—–Von Claus Döring Der Fall Huawei macht deutlich, dass es längst nicht mehr um Handelsbilanzen, Marktanteile und Arbeitsplätze geht, sondern um geopolitische Rivalität.—–