ITALIEN

Im Bann des Brexit

Der Ausgang der für Herbst geplanten Volksabstimmung in Italien entscheidet nicht nur über das politische Überleben von Regierungschef Matteo Renzi. Der Entscheid bedeutet auch eine Abstimmung für oder gegen Europa. Denn die Opposition - angefangen...

Im Bann des Brexit

Der Ausgang der für Herbst geplanten Volksabstimmung in Italien entscheidet nicht nur über das politische Überleben von Regierungschef Matteo Renzi. Der Entscheid bedeutet auch eine Abstimmung für oder gegen Europa. Denn die Opposition – angefangen von der Protestpartei Movimento 5 Stelle (M5S) des Komikers Beppe Grillo bis zur ausländerfeindlichen Lega Nord und Berlusconis Forza Italia – ist europaskeptisch und will den Euro abschaffen. Deshalb geht es beim Referendum nicht nur um Reformen, also darum, dass Italien mittels der Verfassungsänderung zur weitgehenden Abschaffung des Zweikammersystems regierbarer werden sollte. Es geht auch um Europa. Und die Chancen stehen nicht gut. Denn die jüngsten Meinungsumfragen zeigen, dass derzeit die Gegner der Verfassungsreform die Befürworter übertreffen. Der Brexit lässt grüßen.Es war ein politischer Fehler von Renzi, dass er den Ausgang der Abstimmung über die Verfassungsreform personalisierte. Sollte sie abgelehnt werden, werde sich nicht nur er, sondern die gesamte Regierung zurückziehen, drohte er. Doch Renzis großspuriges Vorgehen ist erklärbar: Als er seinen Rücktritt an den Ausgang der Volksabstimmung knüpfte, hatte er noch 40 % Zustimmung. Inzwischen allerdings sind es nur mehr 27 %. Und erstmals während seiner zweieinhalbjährigen Regierungszeit wurde er bei der jüngsten Umfrage des Meinungsforschers Nando Pagnoncelli von der M5S mit 30,6 % überholt. Selbst bei einer möglichen Koalition zwischen Renzi und der angeschlagenen Neuen Rechten (NCD) hätte Grillos Partei allein mehr Stimmen als die anderen beiden zusammen.Schon beginnt der Regierungschef einen Rückzieher und schließt einen Aufschub der Volksabstimmung nicht aus. Renzi, der den Typus des althergebrachten Politikers verschrotten wollte, droht nun selbst als Repräsentant des verhassten “Ancien Régime” verschrottet zu werden. Schon spricht man von einem “Rexit”.Auch wenn die Protestbewegung M5S jüngst ein moderates Facelifting machte, bleibt sie ein Auffangbecken für Extremisten und Protestwähler. Noch zu deutlich in Erinnerung sind die Fotos, auf denen Beppe Grillo mit Nigel Farage in London für einen Austritt aus der EU posierte. Neben Grillos straff geführter Internetpartei zerfleischt sich Silvio Berlusconis populistische Rechte gerade selbst in Führungskämpfen. Die ausländerfeindliche Lega Nord, drittstärkste nationale Kraft, plant derweil nicht nur den EU- und Euro-Austritt – sondern auch immer wieder ein unabhängiges Norditalien.