Konjunktur

Immer mehr Insolvenzen in Europa

Eurostat vermeldet für das zweite Halbjahr 2022 einen rasanten Anstieg der Insolvenzzahlen – und zum Jahresende hin wurden zudem weniger Unternehmen neu gegründet.

Immer mehr Insolvenzen in Europa

ba Frankfurt

Im vierten Quartal 2022 sind in der EU so viele Unternehmen Konkurs gegangen wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015. Zudem wurden auch weniger Unternehmen neu registriert. Laut Eurostat blieb dabei „das Niveau der Unternehmensregistrierungen höher als im Zeitraum 2015 bis 2019“, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie.

In den drei Monaten bis Dezember stieg die Zahl der Konkursanmeldungen um 26,8% im Vergleich zum dritten Quartal. Den Luxemburger Statistikern zufolge nahmen die Konkursanmeldungen damit in allen vier Quartalen des Jahres 2022 zu – besonders kräftig allerdings in der zweiten Jahreshälfte. Die Insolvenzen waren im Schlussquartal in allen Wirtschaftszweigen zu beobachten – am stärksten betroffen waren aber die Transport- und Lagerbranche. Dort kam es zu 72,2% mehr Konkursen als im dritten Quartal. Den zweitstärksten Anstieg weist Eurostat mit 39,4% für den Bereich Beherbergung und Gastronomie aus. Ein ähnliches Bild zeigt der Vergleich mit dem Vorkrisenniveau, also dem Schlussabschnitt 2019: Die größten Zuwächse bei der Zahl der Konkurse verzeichnete Eurostat in den Bereichen Beherbergung und Gastronomie (97,7%) sowie Transport und Lagerung (85,7%). In drei Bereichen allerdings gab es im Ende 2022 weniger Insolvenzen als im Vorkrisenquartal – in der Industrie (–17,6%), im Baugewerbe (–9,2%) und im Bereich Information und Kommunikation (–4,0%).

Im Quartalsvergleich gab es die größten Insolvenzanstiege in Luxemburg (71,8%), Spanien (59,5%) und Ungarn (41,6%). Die stärksten Rückgänge meldeten Lettland (–36,2%), Litauen (–25,4%) und Zypern (–13,4%). Für den Euroraum meldet Eurostat im Schlussabschnitt 27,4% mehr Insolvenzen als im Vorquartal – im dritten Vierteljahr betrug der Zuwachs noch 20,1%.

Für Markus J. Beyrer, Generaldirektor des europäischen Wirtschaftsdachverbandes Business Europe ist „die rasant steigende Zahl der Konkurse alarmierend“. Die Luft zum Atmen werde vor allem für kleine und mittlere Unternehmen „immer knapper“. Viele Konkurse seien durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie künstlich aufgeschoben worden. Diese liefen nun aus. Auch die Luxemburger Statistiker machten einen Effekt der Unterstützungsmaßnahmen in Form geringerer Insolvenzzahlen aus – und zwar in den ersten beiden Vierteljahresabschnitten 2020. Beyrer forderte, dass die EU statt kurzfristiger Symptombekämpfung drei Hebel gleichzeitig in Bewegung setzen müsse: „Die Regulierungslast durch Vereinfachung von Vorschriften und Bürokratie verringern, die Genehmigungsverfahren und den Zugang zu Finanzmitteln für alle Industriezweige beschleunigen und die Energiekosten senken.“

Einen Rückschlag vermeldet Eurostat für das vierte Quartal bei den Unternehmensgründungen: In der EU wurden 0,2% weniger registriert als im Vorquartal – nach einem Plus von 3,1%. Im Euroraum folgte ein Rückgang um 1,6% im Quartalsvergleich einem Zuwachs von 2,0%. Mehr Neugründungen gab es in den Bereichen Verkehr, Baugewerbe, Beherbergung und Gastronomie.