BANK OF ENGLAND

Immer positiv bleiben

Die Bank of England hat den Geldhahn viel weiter aufgedreht als erwartet, auf eine weitere Zinssenkung jedoch verzichtet. Noch schrecken die britischen Geldpolitiker mit Blick auf die anderenorts gemachten Erfahrungen davor zurück, den Leitzins...

Immer positiv bleiben

Die Bank of England hat den Geldhahn viel weiter aufgedreht als erwartet, auf eine weitere Zinssenkung jedoch verzichtet. Noch schrecken die britischen Geldpolitiker mit Blick auf die anderenorts gemachten Erfahrungen davor zurück, den Leitzins unter die Nulllinie zu drücken. Der aktuelle Satz von 10 Basispunkten ist ihnen lieber. Dabei kommt der “Old Lady of Threadneedle Street” entgegen, dass die Regierung mit umfassenden Hilfsmaßnahmen auf die Pandemie reagiert und einen rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit bislang vermieden hat. Schatzkanzler Rishi Sunak legte gestern noch einmal kräftig nach. EZB-Chefin Christine Lagarde kann dagegen nicht so schnell damit rechnen, durch die Fiskalpolitik derart entlastet zu werden. Dafür sind die haushaltspolitischen Vorstellungen der Euro-Länder dann doch zu unterschiedlich.Der Verzicht auf das Minuszeichen vor dem Leitzins, an das man sich in der Eurozone oder Japan bereits gewöhnt hat, ist auch deshalb bemerkenswert, weil die britischen Notenbanker damit begonnen haben, ihre Prognosen an die Wirklichkeit anzupassen. Bislang gingen sie – vermutlich um sich nicht zur politischen Zielscheibe zu machen – davon aus, dass sich London und Brüssel schon irgendwie auf einen reibungslosen Handel nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase einigen werden. Nun erwarten sie, dass Handel und wirtschaftliche Aktivität vorübergehend darunter leiden werden, dass sich Unternehmen nach dem Jahreswechsel an neue Gegebenheiten anpassen müssen. Sie verabschiedeten sich auch von der Hoffnung auf eine V-förmige Erholung der Wirtschaft von den Auswirkungen der Ausgangsbeschränkungen im Frühjahr. Seit gestern gilt erneut ein Lockdown, der im Schlussquartal zu Stellenstreichungen in erheblichem Umfang und zu einer erneuten Schrumpfung des Bruttoinlandsprodukts führen dürfte. Immer positiv bleiben, scheint aber das Motto der Zentralbankökonomen geblieben zu sein. Nun setzen sie auf eine U-förmige Entwicklung, solange sich kein I-förmiger Absturz abzeichnet. Wenn sie daran festhalten, dürfte der Negativzins, wie so vieles, im Werkzeugkasten der Geldpolitiker bleiben.Doch auch ohne Vorzeichenwechsel beim Leitzins ist kein Ende der in der Finanzkrise eingeleiteten geldpolitischen Notstandsmaßnahmen absehbar. Gestern wurde nicht nur eine überraschend großzügige Aufstockung des Anleihenkaufprogramms verkündet, sondern auch genug Pulver bis Ende kommenden Jahres bereitgestellt.