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In der Handelspolitik kann Trump sofort Wellen schlagen

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 21.1.2017 Selten hat sich ein neu gewählter US-Präsident für die ersten Wochen im Amt die Latte so hoch gelegt wie Donald Trump. Selbstbewusst und draufgängerisch hat er versprochen, bestehende...

In der Handelspolitik kann Trump sofort Wellen schlagen

Von Peter De Thier, WashingtonSelten hat sich ein neu gewählter US-Präsident für die ersten Wochen im Amt die Latte so hoch gelegt wie Donald Trump. Selbstbewusst und draufgängerisch hat er versprochen, bestehende Handelsabkommen zu kippen, die Gesundheitsreform seines Amtsvorgängers Barack Obama zu streichen, dessen Dekrete aufzuheben und mit dem Bau einer Mauer entlang der mexikanischen Grenze zu beginnen.In Stein gemeißelt sind seine so rigide klingenden Positionen allerdings nicht. In den Wochen seit seinem Wahlsieg hat Trump Verhandlungsbereitschaft gezeigt und signalisiert, dass “der größte Dealmacher aller Zeiten”, für den er sich hält, auch Kompromisse schließen kann. Nafta leicht zu beendenZu den folgenschwersten unter Trumps ersten Amtshandlungen werden Entscheidungen zählen, welche die künftigen Beziehungen zu einigen der wichtigsten Handelspartner maßgeblich beeinflussen könnten. Eine der wichtigsten Prioritäten wird die Auflösung der seit 1994 bestehenden nordamerikanischen Freihandelszone Nafta sein. Dazu muss Trump lediglich eine Kündigungsfrist von sechs Monaten einhalten und ist nicht auf die Zustimmung des US-Kongresses angewiesen. Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau hat schon seine Bereitschaft signalisiert, nachzuverhandeln.Ungeachtet der Reibereien zwischen dem neuen Präsidenten und der mexikanischen Regierung um den geplanten Mauerbau wird der südliche Nachbar ebenfalls unter Zugzwang stehen. Schließlich verkaufen mexikanische Unternehmen 73 % ihrer Exporte in die USA. Sollte Trump wie angekündigt Einfuhrzölle von bis zu 35 % verhängen, die darauf abzielen, Arbeitsplätze zurückzubringen und die Wettbewerbsfähigkeit teurer produzierender amerikanischer Konkurrenten zu verbessern, dann könnte Mexiko schnell in eine Rezession abgleiten. Folglich hätte die Regierung keine andere Wahl, als sich den von Washington vorgegebenen Konditionen zu beugen oder zumindest großzügige Zugeständnisse zu machen.Eine deutlich größere Herausforderung wird für Trump die Neuausrichtung der Handelsbeziehungen zu China und jenen elf Ländern darstellen, die das transpazifische Handelsabkommen TPP unterschrieben oder ratifiziert haben. TPP will er ebenso wie Nafta nachverhandeln. Zudem hat Trump das Reich der Mitte der Währungsmanipulation bezichtigt und Strafzölle von bis zu 45 % in Aussicht gestellt.Ein ähnlich rabiater Alleingang wie im Umgang mit Mexiko wird aber nicht möglich sein. Zum einen wegen des schieren Umfangs des Handelsvolumens. 2015 erreichte der amerikanische Fehlbetrag im bilateralen Handel den Rekordstand von 367 Mrd. Dollar, was fast die Hälfte des globalen US-Defizits ausmacht.Zölle in der angedrohten Höhe würden Einfuhren deutlich verteuern, vor allem auf Konsumgüter durchschlagen und auf breiter Front Preissteigerungen nach sich ziehen, welche die US-Notenbank Fed zwingen könnten, den Normalisierungsprozess zu beschleunigen. Peking sitzt aber auch deswegen am längeren Hebel, weil den USA die Schulden bis zum Hals stehen. Der Fiskus schuldet seinem zweitgrößten Gläubiger 1,12 Bill. Dollar. Zwar könnten chinesische Retorsionsmaßnahmen in Zöllen gegen Einfuhren aus den USA bestehen, aber Peking könnte auch damit kokettieren, dass es massiv US-Staatsanleihen abstößt und damit die Finanzmärkte in Turbulenzen stürzt. Pragmatismus gefragtObwohl Trump prinzipiell eine klare Präferenz für bilaterale Abkommen artikuliert hat, könnte er angesichts der Risiken eines Handelsstreits mit China umdenken und seinen Hang zum Pragmatismus unter Beweis stellen. Nicht ausschließen wollen daher einige Experten, dass Trump in Verhandlungen über die von Peking propagierte asiatisch-pazifische Freihandelszone FTAAP eintritt. Diese würde 21 Länder umfassen und nach ihrer jetzigen Konzipierung sowohl der amerikanischen als auch der chinesischen Exportwirtschaft helfen. Trump würde dadurch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn mit FTAAP wäre zugleich ein Ersatz für TPP gefunden.Ebenso komplex wie die Handelsbeziehungen wird das versprochene Aufschnüren der Gesundheitsreform sein. Zwar hat der Senat vergangene Woche mit einer knappen Mehrheit den legislativen Grundstein für die Aushöhlung von Obamacare gelegt. Dennoch hat Trump aber durchblicken lassen, dass er auch hier verhandlungsbereit ist und wichtige Teile unberührt bleiben sollen. So haben Medien kaum Notiz davon genommen, dass der neue Präsident noch bis vor wenigen Tagen mit seinem Vorgänger Obama in regelmäßigem Kontakt stand und darüber beriet, welche Teile von Obamacare als sakrosankt anzusehen sind. Auch Trump will nämlich sicherstellen, dass alle Amerikaner versichert sind, und weiß sehr wohl, dass es seinen republikanischen Parteifreunden bisher an einer detaillierten Alternative fehlt. Finanzierung unklarLängerfristige Projekte, die zunächst die Mühlen des Gesetzgebungsprozesses durchlaufen müssen und sich über viele Monate erstrecken könnten, sind die versprochenen Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 1 Bill. Dollar sowie die Steuerreform. Bei den Ausgabenprogrammen muss ebenso wie beim Bau der Grenzmauer die Finanzierungsfrage geklärt werden. Unklar ist, wie dies einem Präsidenten gelingen soll, der Steuern senken und zugleich Schulden abbauen will.Noch komplexer und langwieriger wird das Aushandeln und Verabschieden einer Reform sein, die das überholte Einkommen- und Körperschaftsteuersystem ersetzt und chancenlos sein könnte, wenn die Republikaner bei der nächsten Kongresswahl ihre Mehrheiten verlieren. Wellen schlagen kann Trump ab sofort in der Handelspolitik, und anzunehmen ist, dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt.