ANSICHTSSACHE

In Sorge um den Wettbewerb auf den Finanzmärkten

Börsen-Zeitung, 27.6. 2014 In Politik und Medien finden die Finanzmärkte auch mehr als fünf Jahre nach dem Ausbruch der jüngsten Krise viel Aufmerksamkeit. Während zunächst die Entstehung der Krise und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten im...

In Sorge um den Wettbewerb auf den Finanzmärkten

In Politik und Medien finden die Finanzmärkte auch mehr als fünf Jahre nach dem Ausbruch der jüngsten Krise viel Aufmerksamkeit. Während zunächst die Entstehung der Krise und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten im Zentrum des Interesses standen, hat sich die Diskussion bald auf die Schaffung eines neuen Ordnungsrahmens für Finanzinstitute verlagert. Politiker haben angekündigt, bei Bankenschieflagen in Zukunft keine Mittel von Steuerzahlern mehr einzusetzen und alle Finanzmarktakteure, Märkte und Produkte einer wirksamen Regulierung zu unterwerfen.Bei alledem ist vom Wettbewerb nicht die Rede. Die Monopolkommission, die am 9. Juli ihr 20. Hauptgutachten vorstellen wird, hat die Sorge, dass das Wettbewerbsprinzip in der Finanzwirtschaft vernachlässigt wird. Hier wird mit Blick auf Wettbewerbsverzerrungen ein Thema herausgegriffen, an dem die Bedenken der Kommission deutlich werden. Marktwirtschaft außer KraftDas marktwirtschaftliche Grundprinzip, dass Unternehmen im Fall nachhaltigen Misserfolgs aus dem Markt ausscheiden, ist in der Finanzkrise mit Blick auf zahlreiche Banken außer Kraft gesetzt worden. Allerdings hat die Europäische Kommission mit der Beihilfeaufsicht versucht, die Wettbewerbsverfälschungen in Grenzen zu halten: Sie hat gefordert, dass Banken für Garantien und Kapitalzuführungen Gegenleistungen erbringen. Zudem hat sie den begünstigten Instituten oft eine Verkleinerung des Geschäfts – etwa durch die Vorgabe einer Kürzung der Bilanzsumme – auferlegt. Noch RefinanzierungsvorteileEine im März dieses Jahres von der OECD veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass große und vernetzte Institute weiterhin einen Vorteil bei ihrer Finanzierung genießen: Ihre Vertragspartner gehen noch immer davon aus, dass solche Institute im Fall einer Schieflage mit staatlichen Mitteln gestützt und deshalb als Schuldner nicht ausfallen würden. Der von einer solchen Bestandsgarantie ausgehende geldwerte Vorteil ist beträchtlich: Großbanken ersparen auf seiner Grundlage Milliardenbeträge.Mit dem im April 2014 vom Europäischen Parlament beschlossenen Single Resolution Mechanism (SRM) und weiteren Rechtsakten im Kontext der europäischen Bankenunion soll in Zukunft die Abwicklung großer Institute ermöglicht werden. Die neuen Abwicklungsregeln sehen die Möglichkeit eines Bail-in vor. Hierbei werden die Gläubiger eines Instituts am Verlust beteiligt, indem ihre Forderungen herabgesetzt oder in Eigenkapital umgewandelt werden. Die Aussichten für Gläubiger, im Krisenfall ungeschoren davonzukommen, schwinden damit. Besicherte Forderungen und von Sicherungssystemen gedeckte Einlagen sind vom Bail-in ausgenommen. Zahlreiche AusnahmenDarüber hinaus können Fremdkapitalgeber bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände von einem Bail-in ausgenommen werden, wenn für ihre Forderungen “trotz angemessener Anstrengungen der zuständigen Abwicklungsbehörde kein Bail-in innerhalb einer angemessenen Frist möglich ist”. Entsprechendes gilt, wenn “der Ausschluss zwingend notwendig und angemessen ist, um die Kontinuität der kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche zu erreichen, sodass die Fähigkeit des in Abwicklung befindlichen Instituts, die wichtigsten Geschäfte, Dienste und Transaktionen fortzusetzen, aufrechterhalten wird”. Am Ende zahlt der FondsIn Fällen, in denen Verbindlichkeiten durch Einzelfallentscheidung vom Bail-in ausgenommen werden, kann der vom Bankensektor finanzierte Abwicklungsfonds zur Schließung entstehender Finanzlücken genutzt werden. Der Fonds darf aber nur einspringen und einen Teil der Gläubigerbeiträge ersetzen, wenn Anteilseigner und Gläubiger in Höhe von mindestens 8 % der Gesamtverbindlichkeiten des Instituts an der Haftung beteiligt werden. Zudem darf der Beitrag des Fonds 5 % der Gesamtverbindlichkeiten nicht überschreiten. So soll dafür Sorge getragen werden, dass Eigner und Gläubiger des Instituts immer einen substanziell höheren Haftungsbeitrag leisten als der Fonds.Der Fonds kann, wenn seine Finanzmittel erschöpft sind, weitere Mittel aufnehmen. Tatsächlich reichen die von den Banken in den nächsten Jahren einzuzahlenden Mittel nicht weit: Auch nach seiner auf 8 Jahre angelegten Befüllung soll der Fonds nur Mittel in Höhe von 55 Mrd. Euro haben. Zahlreiche europäische Banken haben Bilanzsummen, die jeweils deutlich über dem Zwanzigfachen dieses Betrages liegen. Für eine eventuell erforderliche weitergehende Finanzierung des Abwicklungsfonds kommen einerseits die Mitgliedstaaten und zum anderen der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM in Betracht. Im Ergebnis kann also, wenn die Beiträge des Abwicklungsfonds nicht ausreichen, doch wieder im äußersten Fall eine Rettung des Finanzsystems mit Steuermitteln erfolgen. Drohung mit NachdruckWas bedeutet das für die Wettbewerbssituation zwischen systemrelevanten und anderen Instituten? Die Drohung, dass Gläubiger systemrelevanter Banken in der Haftung sind, muss glaubwürdig sein. Nur dann werden solche Banken sich nicht mehr günstiger refinanzieren können als ihre Wettbewerber. Die Verantwortlichen in Politik und Aufsicht müssen insoweit eindeutige Signale senden. Wie ernst die Haftungsdrohung genommen wird, kann erst durch einen Vergleich der Finanzierungskonditionen verschiedener Institute empirisch überprüft werden, wenn das neue System vollständig in Kraft gesetzt ist.Prof. Dr. Daniel Zimmer ist Vorsitzender der Monopolkommission und Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Daniel Zimmer Die Monopolkommission sorgt sich um den Wettbewerb im Finanzsektor. Trotz Regulierung könnten Refinanzierungsvorteile weiter den Wettbewerb verzerren.——-